Biogas – wie geht´s weiter?

Der Bundesverband Lohnunternehmen rechnet mit Rückgang der Biogasanlagen in D. um 50 % und empfiehlt eine „strategische Analyse“ der Kundenstruktur.
Fotos: Noordhof, Lützen

Die Ver- und Entsorgung von Biogasanlagen ist ein wichtiges Standbein für die Lohnunternehmer-Branche. Das gilt in erster Instanz für Herausforderungen in Ernte und Logistik von mehr als 1 Mio. ha Silomais und anderer Kulturen. Aber auch Transport und Ausbringung von Gärsubstraten sowie der Anbau der Ackerkulturen bringt den Dienstleistern beträchtliche Umsätze, die der Bundesverband Lohnunternehmen (BLU) insgesamt auf deutlich über 500 Mio. € jährlich schätzt. Der Feldhäcklsermarkt zeigte sich z.B. 2019 mit über 500 verkauften Maschinen stabil, so der BLU in einer aktuellen Pressemitteilung, und es sei davon auszugehen, dass über 90 % dieser Erntemaschinen an Lohnunternehmer verkauft wurden.

Der Fachverband Biogas e.V. prognostiziert vor dem Hintergrund der derzeit bekannten politischen bzw. wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die zukünftige Entwicklung der Branche negativ (Quelle: Zeitschrift LOHNUNTERNEHMEN; Ausgabe 1-2020 „Biogas – wie geht es weiter?“ von Florian Strippel). Demzufolge werde die Einspeisevergütung durch das EEG für einen definierten Zeitraum festgelegt und die Anschlussförderung begünstige nicht alle Betriebsformen im Bereich Biogas. Größere NaWaRo-Anlagen oder solche, die mit Gülle, Mist bzw. Abfällen betrieben werden, haben nach Auffassung des Autors die bestens Zukunftsaussichten. Die installierte Leistung und entsprechend die Anzahl bestehender Biogasanlagen werde sich erst langsam, dann aber deutlich reduzieren. Nach Florian Strippels Ansicht gehen die Biogasanlagen von derzeit 9.500 Stück mittelfristig, heißt bis 2028 um 50 % zurück, wie der BLU in seiner Verlautbarung zitiert. Diese acht Jahre entsprächen ungefähr der Nutzungsdauer eines Feldhäckslers im professionellen Einsatz, heißt es weiter.

Der Biogasboom hat den Bestand an Feldhäckslern in der Bundesrepublik nach Schätzung des BLU über 6.000 Stück anwachsen lassen. Diese Maschinen werden in der Regel nach der professionellen Nutzung im Lohnunternehmen als „Gebrauchte gegen eine Neue“ abgegeben, bleiben aber im Markt. Nach unbestätigten Aussagen stehen momentan weit über 1.000 gebrauchte Feldhäcksler auf den Höfen des deutschen Landtechnikhandels, so der BLU. Obwohl diese Maschinen einem weltweiten Käuferkreis angeboten werden, belastet das vergleichsweise hohe Angebot die Gebrauchtmaschinenpreise. Darüber hinaus sei damit zu rechnen, dass günstige Gebrauchtmaschinenangebote das Thema Eigenmechanisierung bei den „Biogasern“ aufflammen lassen.

Der Anpassungsdruck im Segment „Biogas“ wird sich in wenigen Jahren deutlich zeigen. Mit jeder 500-kW-Biogasanlage, die vom Netz geht, gehen mindestens 200 ha Mais verloren und werden entsprechend zwischen 30 und 50% Kapazität eines Feldhäckslers freigesetzt, so der BLU.

Lohnunternehmer sollten sich rechtzeitig mit der Kundenstruktur befassen und den Ausstieg von Biogasanlagen strategisch mit Zeitpunkt und Auftragsvolumen erfassen, lautet die Empfehlung. Das Investitionsverhalten ist darauf abzustimmen. Wie immer sichert ein Werkvertrag mit der Anlage die Entscheidungen ab. Die Entwicklungen in der bäuerlichen Tierhaltung bleiben zunächst hiervon unberührt und stabilisieren im Moment noch das Auftragsvolumen für die Feldhäcksler. Aber auch in diesem Segment zeichnet sich ein Strukturwandel ab, der weniger Tierhalter und geringere Tierzahlen nach sich ziehen wird. Auch hier sind die Veränderungen aufmerksam zu beobachten, heißt es in der BLU-Pressemitteilung abschließend.

Kommentar

„Biogas ist nicht nur ein wertvoller Energieträger, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.“

Derzeit loten die für eine Regierungsbildung auf Bundesebene in Frage kommenden vier Parteien aus, wer mit wem am besten „kann“ und wie sich die jeweiligen politischen Ziele am besten umsetzen lassen. Bei den im Wahlkampf so dominierenden Themen wie Umwelt- und Ressourcenschutz und Klimarettung dürfte das ja – eigentlich – nicht so schwierig sein, sollte man meinen. Schließlich hatten sich ja fast alle Wahlkämpfer diese Themen vehement auf die Fahnen geschrieben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Sehr wahrscheinlich scheint mir schon jetzt: Die Ökologisierung der Wirtschaft wird gigantisch teuer. Und sicher scheint zumindest mir: Zum Erreichen der Klimaziele ist die bisherige de-facto-Bevorzugung von Windenergie genauso eine Sackgasse wie der derzeitige E-Auto-Run. Wer ökologische Stromproduktion will, die außerdem in der Lage ist, verlässlich die für eine Industriegesellschaft erforderliche Grundlast zu sichern, kommt um Photovoltaik und Biogas nicht herum. Solarstrom dümpelt derzeit vor sich hin, und Biogas ist nach aktuellen Rahmenbedingungen auf dem eindeutigen Sinkflug. Das sollte sich ändern, zumal Biogas nicht nur ein wertvoller Energieträger, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Landwirte, Lohnunternehmer und die Landtechnik-Industrie ist. Diesbezüglich muss das politische Rad nicht neu erfunden werden. Hoffen wir mal, dass die Weltenretter in Berlin dafür einen funktionierenden Sensor haben …

Jens Noordhof, Redaktion LOHNUNTERNEHMEN