Rechtstipp: Alkoholismus ist keine selbstverschuldete Krankheit

Ein Arbeitnehmer verliert seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er den Eintritt der Krankheit verschuldet hat. Daran fehlt es bei einem trockenen Alkoholiker bei einem Rückfall.

Im konkreten Einzelfall verweigerte der Arbeitgeber des alkoholkranken Arbeitnehmers diesem die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, da der Arbeitnehmer seine Krankheit verschuldet habe. Der Arbeitnehmer war mit einer Alkoholvergiftung (4,9 Promille) in ein Krankenhaus eingeliefert worden und in der Folge für über zehn Monate arbeitsunfähig erkrankt. Zuvor hatte er zwei stationäre Entzugstherapien durchgeführt. Es kam jedoch immer wieder zu Rückfällen.

Die Krankenkasse verklagte daraufhin den Arbeitgeber auf Erstattung des Krankengeldes für den Zeitraum des Entgeltfortzahlungsanspruchs des Arbeitnehmers aus von diesem übergegangenem Recht. Sie ist der Auffassung, dass den Arbeitnehmer kein Verschulden für seinen Alkoholkonsum und damit für den Eintritt der Krankheit treffe. Der beklagte Arbeitgeber vertritt hingegen die Ansicht, dass ein Verschulden des Arbeitnehmers am Eintritt seiner Krankheit bei einem Rückfall nach mehrfachem stationärem Aufenthalt zu bejahen sei. Sowohl Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

Zu Recht, wie nun das Bundesarbeitsgericht (BAG, Az.: 10 AZR 99/14) entschieden hat. Bei einer Alkoholabhängigkeit handele es sich um eine Krankheit. Werde ein Arbeitnehmer infolge seiner Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig krank, könne nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht von einem Verschulden im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ausgegangen werden. Die Entstehung der Alkoholsucht sei vielmehr multikausal, wobei sich die unterschiedlichen Ursachen wechselseitig bedingen würden. Dies gelte im Grundsatz auch bei einem Rückfall nach einer durchgeführten Therapie. Im Hinblick auf eine durchschnittliche Abstinenzrate von 40-50% könne nach einer durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme jedoch ein Verschulden des Arbeitnehmers am Rückfall nicht generell ausgeschlossen werden. Der Arbeitgeber könne daher das fehlende Verschulden bestreiten, so dass das jeweilige Gericht ein medizinisches Gutachten zur Verschuldensfrage einholen müsse. Lasse sich danach ein Verschulden nicht eindeutig bejahen, gehe dies zulasten des Arbeitgebers wie im konkret vorliegenden Fall.

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