Virulente Rassen verschärfen das Kohlhernie-Problem
Aus ertraglicher Sicht zwar schwächer als konventionelle Sorten, ließen sich auf kontaminierten Flächen z.B. in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern verloren geglaubte Ertragsperspektiven zurückgewinnen. Mit zunehmendem Züchtungsfortschritt und der Einführung neuer ertragsstärkerer resistenter Sorten nahm deren Anbauausdehnung stetig zu.
Einen 100%igen Schutz bieten diese Sorten allerdings nicht. Denn die Resistenz der im Markt verfügbaren Sorten ist rassenspezifisch. Das bedeutet, es gibt seit jeher einzelne Kohlhernie-Rassen, bei denen die Resistenz nicht ausreicht. Dies bestätigen auch Kohlhernie-Resistenzprüfungen, u.a. durchgeführt von der phytopathologischen Abteilung der NPZ Innovation GmbH in Groß Lüsewitz (Abb. 1). Unter Gewächshausbedingungen wurden hier die in Deutschland zugelassenen Kohlhernie-resistenten Sorten verschiedener Züchter anhand unterschiedlicher Kohlhernie-Feldisolate getestet (nicht-virulente Isolate und virulente Isolate). Entsprechend der Erwartung verhielten sich die neueren resistenten Sorten genauso wie MENDEL und waren nach Infektion mit repräsentativen Standardisolaten nicht anfällig (Bsp. Isolat aus Schleswig-Holstein, Abb. 1). Handelte es sich in den Versuchen um virulente Isolate (Bsp. Isolat aus Brandenburg, Abb. 1), wurden alle Sorten befallen. Das bestätigt, dass alle zugelassenen Kohlhernie-resistenten Sorten im deutschen Markt über einen gleichen Resistenzhintergrund verfügen und es somit zum aktuellen Zeitpunkt keine Alternative zur Mendel-Resistenz gibt.
Der Erreger passt sich an.
Die Rassenzusammensetzung auf einem Schlag wird maßgeblich durch die Anbauplanung gesteuert. Mit der Einführung von MENDEL war unklar wie lange die Resistenz ihre Wirkung behält. Denn durch den Anbau Kohlhernie-resistenter Sorten, können sich nur die Kohlhernierassen im Feld vermehren, gegen die die rassenspezifische Resistenz nicht wirkt und es kommt zu einer Rassenverschiebung (Abb. 2). Je eher und je häufiger eine resistente Sorte angebaut wird, desto früher ist eine Rassenverschiebung zu erwarten.
Vor diesem Hintergrund hat Rapool/NPZ im Jahr der Einführung 2001 ein Monitoring zur Verbreitung MENDEL-virulenter Feldisolate etabliert, um die Nachhaltigkeit der Resistenz zu verfolgen. Die Monitoring-Ergebnisse zeigen, dass viele Verdachtsfälle nicht bestätigt werden konnten und es sich bei den befallenen Pflanzen häufig um Durchwuchsraps handelt. Jedoch nimmt die Anzahl bestätigter Verdachtsfälle zu. Im Herbst 2015 wurden vielerorts Befallsnester in resistenten Rapssorten beobachtet. Erste Anzeichen dafür, dass auf diesen Flächen möglicherweise eine Rassenverschiebung stattgefunden hat. Weitere Gründe für das verstärkte Auftreten dieser Rassen kann auch der gestiegene Anbau Kohlhernie-resistenter Rapssorten sein. Denn mit zunehmendem Anbauumfang resistenter Sorten steigt auch die Anzahl der beobachteten Krankheitsfälle. Unterschiede in der Anbauhistorie liefern hierzu einen Erklärungsansatz: Tritt großflächiger Pflanzenbefall an resistenten Rapssorten auf, nachdem diese bislang erfolgreich angebaut wurden, ist von einer Rassenverschiebung auszugehen. Tritt dieser jedoch an resistenten Rapssorten nach erstmaligem Anbau auf, wurde das Rassengemisch dieses Feldes wahrscheinlich schon immer von Resistenz-überwindenden Rassen dominiert.
Auch an der Universität Rostock (Strehlow et al., 2015) und dem Julius Kühn-Institut (Zamani-Noor, 2016) wurden Untersuchungen zum Virulenzspektrum des Erregers in Deutschland durchgeführt. Die phänotypische Charakterisierung zeigte, dass die MENDEL-Resistenz noch auf dem Großteil der Flächen wirksam ist; nur zwei von 28 bzw. 15 von 49 untersuchten Isolaten konnten die vorhandene Sortenresistenz überwinden. Umso wichtiger ist es, diese Resistenz zu schützen und so den Anbau resistenter Rapssorten, als letzte Maßnahme im Kampf gegen Kohlhernie, auch zukünftig nutzen zu können.
Wenn sich die Verbreitung der Kohlhernie weiter fortsetzt wird ein Rapsanbau langfristig schwerer werden. Weiterhin gilt, dass pflanzenbauliche Maßnahmen, wie Ackerhygiene und weite Rapsanbaupausen, die wirksamsten Mittel gegen die Krankheit sind und der Anbau einer resistenten Sorte zur Resistenzschonung letztes Mittel bleiben muss. Um sich der Resistenz einer Sorte sicher zu sein, kann auch das Bundessortenamt (BSA) herangezogen werden. Denn erst nach Feststellung und Überprüfung der Kohlhernieresistenz vom Julius Kühn-Institut in Braunschweig, lässt das BSA eine resistente Sorte in Deutschland zu.
Dania Bornhöft, Rapool GmbH/ Norddeutsche Pflanzenzucht Hans-Georg Lembke KG
Becke Strehlow, NPZ Innovation GmbH
Glossar
Virulente Rasse: In der Lage Kohlhernie-resistente Sorten zu befallen, Resistenz unwirksam.
Nicht-virulente Rasse: Lösen keinen Befall bei resistenten Sorten aus, Resistenz wirksam.
Kohlhernie-Feldisolat: Aus einem Kohlhernietumor gewonnenes Rassengemisch. Wird zur Neuinfektion anderer Pflanzen benötigt.
Quelle: Rapool