November 2015: LU Hellwinkel

Die Vorweihnachtszeit ist für Kai Hellwinkel keine ruhige Zeit. Sein Leben besteht dann aus Weihnachtsbäumen. Zusammen mit seinem Vater betreibt er deren Produktion auf 350 ha.
Die Weihnachtsbäume werden palettiert auf den Lkw geladen
Kai Hellwinkel produziert zusammen mit seinem Vater Weihnachtsbäume
Kaminholz wird mit zwei Sägespaltern ofenfertig geschnitten, getrocknet und ab Hof verkauft

Damit aus Picea pungens glauca oder Abies nordmanniana – Blau-Fichte und Nordmanntanne – richtige Weihnachtsbäume werden, sind Geduld und viel Handarbeit nötig. In Norddeutschland scheint diese Geduld zu Hause zu sein. Mitten in der Lüneburger Heide liegt, eingebettet zwischen Kiefernwäldern, der Hof der Familie Hellwinkel. In einem flachen Gebäude aus Holz befindet sich die Werkstatt des Lohnunternehmens von Kai Hellwinkel. „Früher war das hier mal das Sägewerk meines Großvaters, der schon Anfang der 60er Jahre verstarb“, erzählt er. Sein Vater Hermann Hellwinkel war noch zu jung um das Werk zu übernehmen, daher wurden alle Maschinen verkauft.


Hobby als Haupterwerb
Jahrelang arbeitete Hermann Hellwinkel als Landwirt, bis 1972 das Sturmtief Quimburga über Deutschland zog und alles veränderte. Fast 10.000 fm Holz fielen in den familieneigenen Forststücken durch den Sturm um. Zusammen mit einigen Arbeitskräften arbeitete Hermann Hellwinkel es auf und entdeckte dabei seine Leidenschaft für den Forst. Er schulte um und arbeitete bis in die 90er hinein als Förster. Nebenbei produzierte er als Hobby Weihnachtsbäume. Erst auf den eigenen Flächen, später pachtete er weitere Flächen dazu. Zu den Weihnachtsbäumen kam Schnittgrün-Gewinnung, für das zusätzlich Nadelbaumarten wie Picea omorika (Serbische Fichte) und Pinus strobus (Strobe oder Weymouth-Kiefer) angepflanzt werden. Das Unternehmen wuchs und das Hobby wurde Anfang der 90er Jahre zum Haupterwerb. Mittlerweile wachsen die Weihnachtsbäume auf einer Fläche von 360 ha.


Gründung des Lohnunternehmens
Der angehende Nachfolger Kai Hellwinkel wurde kurz danach mit der Schule fertig und machte eine Lehre als Schlosser: „Viel gebracht hat das dem Unternehmen nicht. Aber da war ich halt jung, und meine Freunde haben das auch gemacht. Schrauben machte erst einmal Spaß“, erinnert er sich. Er hängte eine zweite Ausbildung als Speditionskaufmann an und gründete 2004 ein Lohnunternehmen. „Gemulcht und gefräst haben wir eigentlich auch schon in den Weihnachtsbaumkulturen, es hat sich angeboten das als Dienstleistung auszubauen. Die Technik ist ja da.“ Das bedeutet im Fall des Lohnunternehmens Hellwinkel: Traktor und Forstmulcher. Über die Jahre hat sich das kleine Lohnunternehmen jedoch weiter entwickelt.
Nach einer Durchforstung in den eigenen Flächen blieb viel Restholz liegen, das der 32-jährigen nicht ungenutzt lassen wollte. Innerhalb kurzer Zeit war es als Kaminholz aufbereitet und fand Absatz. Mittlerweile ist das Kaminholzgeschäft ein fester Bestandteil seines Unternehmens. Das Holz kommt entweder aus der eigenen Forstwirtschaft oder er kauft in der Umgebung zu. Mitarbeiter und zwei Sägeholzspalter verarbeiten es zu 30 cm Scheiten, die in Containern zu Biogasanlagen in der Region gebracht werden. Durch deren Abwärme trocknet das Holz in durchschnittlich sieben Tagen ab. Verkauft wird das Feuerholz in Schüttraummetern ab Hof.

 

Auf drei Rädern fährt der Spezialtraktor durch die Bestände und sägt die Bäume ab.
Jeder Baum wird im Bestand genetzt und sortiert am Gassenrand abgelegt.
Anschließend werden die Bäume eingesammelt und auf Paletten gebündelt.

Spedition als Ergänzung
Der Kontakt zu den Biogasanlagen kam über einen weiteren Betriebszweig: der Spedition. Im Winter transportieren die firmeneigenen Lkw, auf denen das Familienwappen prangt, hauptsächlich Weihnachtsbäume. Doch deren Saison ist nur von November bis Mitte/Ende Dezember. Auch der Transport der Kaminholzscheite zur Biogasanlage und zurück reicht zur Auslastung nicht aus. Für andere Unternehmen werden daher mit dem Tiefladergespann Forstmaschinen umgesetzt und für Landwirte wird Getreide und Mais gefahren. Manchmal auch Hackschnitzel.
Der Arbeitstag von Kai Hellwinkel beginnt früh: „Wenn ich nicht um 6 Uhr am Schreibtisch sitze, komme ich oft nicht dazu irgendetwas zu erledigen. Kurz vor sieben kommen die Mitarbeiter auf den Hof und fahren auf die Flächen und dann klingelt eigentlich regelmäßig das Telefon“, erzählt er. Zusätzlich er ist viel unterwegs, um regelmäßig auf allen Flächen und allen Arbeiten vorbeizuschauen. Das kostet Zeit. „Die Fläche, die am weitesten entfernt liegt, ist in Schleswig-Holstein, bei Kiel“, erzählt er. Die 350 ha Anbaufläche, die als landwirtschaftliche Sonderkultur gelten, verteilen sich auf fünf Landkreise von der Mitte Niedersachsens bis hoch in den Norden.


Nordmann vor Frost schützen
„Auf den Flächen in Schleswig-Holstein ist das Frostrisiko sehr gering, das ist gut für die Nordmanntanne. Die ist sehr empfindlich, was Frost angeht. Vor allem Spätfrost nach dem Austrieb kann unsere Pläne durcheinander werfen“, begründet er seine umfassenden Maßnahmen, um seine Nordmanniana-Bestände zu schonen. Die weite Streuung ist eine davon. Hat sich eine Fläche als Frostanfällig erwiesen, etwa in Senken, lässt er dort bewusst andere Arten setzen. Auf einer Fläche hat er eine Beregnungsanlage aus dem Obstbau installiert. Trifft es einen Bestand, kann es sein, dass alle frischen Triebe erfrieren und abgeschnitten werden müssen: „Der Mehraufwand wird nicht bezahlt und die Bäume von diesen Flächen kann ich frühestens nach zwei  Jahren  ernten, wenn nicht sogar einige komplett ausfallen“, begründet Kai Hellwinkel seine umfangreichen Strategien gegen Frost.


Jahre des Wachstums
Bis ein Baum geerntet werden kann, vergeht ein gutes Jahrzehnt, für manche Bäume auch mehr. „Wir kaufen unsere Setzlinge in Baumschulen und setzen sie dann mit einer Maschine, die ähnlich funktioniert wie früher die Maschinen zum Setzen von Steckrüben. Dabei geht jeder Baum durch die Hände der Mitarbeiter“, erklärt Kai Hellwinkel. Gepflanzt werden überwiegend Nordmann-Tannen, da diese am meisten nachgefragt werden. Nach drei bis vier Jahren, wenn die Bäume angewachsen sind und an Höhe gewinnen, müssen die Stümpfe beschnitten werden. Dafür hat die dänische Firma Jutek einen Spezialtraktor entwickelt. Auf drei Rädern fährt dieser durch die Reihen und kann durch verschiedene Anbaugeräte auch bei anderen Pflegemaßnahmen eingesetzt werden.
Bis die Bäume geerntet werden können, folgen viele Jahre, in denen immer wieder Routinearbeiten erledigt werden müssen: zum Jahresbeginn wird auf Flächen, auf denen geerntet wurde, aufgeräumt. Liegengebliebene Zweige werden auf die Gassen geräumt und untergemulcht. Kai Hellwinkel versucht verrottendes Holz auf seinen Flächen zu vermeiden, da sich in diesem holzzersetzende Pilze verbreiten können und unter Umständen auch noch stehende Bäume befallen könnten. Im Januar bis März ist die Hochsaison für das Lohnunternehmen und die Schlepper sind mit den Mulchern und Fräße unterwegs. Im Frühjahr beginnt auf den Weihnachtsbaumflächen der Pflanzenschutz. Unkraut kann junge Pflanzen überwachsen, Gallmilben die Pflanzen schwächen. Gespritzt wird entweder mit der Rückenspritze unter den Schirm oder mit konventionellen Anhängespritzen.

 

Zehn Jahre Handarbeit
Beginnen die Bäume zu wachsen, müssen die neuen Triebe mit speziellen Zangen gekniffen werden, damit die Wachstumsschicht unterbrochen wird. Sonst würden die Bäume zu schnell und zu licht wachsen. „Wir sehen einen dichten Baum als schönen Weihnachtsbaum an. Sind die Abstände zwischen den Ästen zu groß, wirkt der Baum zu mager“, definiert Kai Hellwinkel seine Ansprüche an die Bäume. Zum Spätsommer beginnt das Etikettieren, bei denen die reifen Bäume mit Fähnchen in unterschiedlicher Farbe versehen werden. Jede Farbe steht dabei für ein bestimmtes Sortiment und einen bestimmten Käufer. Die meisten Bäume werden in einer Größe von 180 bis 200 cm geschlagen. Größere Bäume werden meist von Einzelkäufern für Geschäfte oder ähnlichem nachgefragt.
Im November beginnt jedes Jahr die arbeitsreichste Zeit des Jahres. Die Spezialmaschine von Jutek wird mit einem Kreissägeblatt ausgestattet und fährt langsam durch die Gassen. Jeder etikettierte Baum kann im Vorbeifahren abgeschnitten werden. Die Anschaffung dieser Maschine war für das Unternehmen ein Segen: Nicht nur, dass die Arbeit um ein vielfaches sicherer geworden ist. Auch ökonomisch und ergonomisch ist sie eine Verbesserung. Nach dem Schlag der Bäume müssen sie mehrere Tage liegen bleiben und ausdunsten, erst danach werden sie genetzt. Drei MB Tracs, die gehütet und gepflegt werden, fahren mit den Netzmaschinen in den Bestand. Drei Arbeiter holen die Bäume aus dem Bestand, legen sie ein, bedienen die Maschine und legen die Bäume im Netz nach Sorten sortiert am Gassenrand ab.


Die Saison ist definiert
Weitere Teams sind mit Pelletier-Maschinen unterwegs, die an die Fendt-Traktoren angehängt werden. Jeweils 100 Bäume müssen per Hand auf die Paletten geladen werden, bevor diese auf den Lkw geladen werden können. Die Paletten sind Eigenbauten, speziell zum Stapeln der Bäume. Pro Lkw können 10 Paletten geladen werden. Teilweise sind es die eigenen Lkw, mit denen die Bäume auf die Reise gehen, in vielen Fällen schicken Händler und Großhändler auch eigene Wagen oder von ihnen beauftragte Speditionen.
Anfang Dezember startet auch für ihn der Verkauf an eigenen Ständen in der Region und auf dem Betriebshof. In den letzten zwei Monaten des Jahres sind oft über 40 Saisonkräfte neben seinen zehn festangestellten Mitarbeitern für ihn bei jedem Wetter auf den Beinen. Eine stressige Zeit, aber auch die hat ein Ende: genau am 24. Dezember. Jedes Jahr.

 

Gesa Lormis,
Redaktion LOHNUNTERNEHMEN

Erschienen in der LOHNUNTERNEHMEN Dezember 2013.

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