Anwenderschutz auf Hof, Feld und in der Kabine

Für den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln gelten nun bußgeldbewehrte Anwendungsbestimmungen. Was ist neu und wie lässt sich das in der Praxis umsetzen?

Landwirte und Lohnunternehmer werden zukünftig stärker als bisher in die Pflicht genommen, Risiken beim Umgang mit Pflanzenschutzmitteln zu vermeiden. Gab es bisher Kennzeichnungsauflagen für den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln, gelten nun sogenannte Anwendungsbestimmungen. Dabei handelt es sich im Grunde um dieselbe Sache im neuen Gewand. In der Vergangenheit wurden Anwendungsbestimmungen für Pflanzenschutzmittel hauptsächlich vorgegeben, um die Risiken für den Naturhaushalt zu verringern. Ein Beispiel dafür sind die Abstandsregelungen zum Schutz von Gewässern. Zwischen dem Schutz des Naturhaushalts und dem Gesundheitsschutz besteht jedoch aus Sicht des Gesetzgebers kein Unterschied. Die Maßnahmen dienen in beiden Fällen der Risikominimierung. Daher wurde 2018 eine Vereinheitlichung der Regelungen herbeigeführt. Der Wechsel von der Kennzeichnungsauflage hin zur bußgeldbewehrten Anwendungsbestimmung ändert also lediglich den rechtlichen Status. Nun stellt das Nichteinhalten oder Missachten der Auflagen eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Bußgeld geahndet werden kann. Auch Kürzungen bei EU-Direktzahlungen sind möglich. Die Kontrolle und Festsetzung von Bußgeldern ist Ländersache und obliegt den dort zuständigen Überwachungs- und Kontrollbehörden, wie den Landwirtschaftsämtern oder Landwirtschaftskammern.

Foto: Dau

Fürsorge- und Kontrollpflicht

Unter der Voraussetzung, dass der Landwirt den Lohnunternehmer sorgfältig ausgesucht hat, treffen Fehler, die der Lohnunternehmer in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich begeht, grundsätzlich nur ihn. Die Anwendungsbestimmungen tangieren ihn vor allem im Bereich der Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern. Wer Anwendungsbestimmungen missachtet und beim Hantieren mit Pflanzenschutzmitteln nicht die vorgeschriebene Schutzkleidung trägt, gefährdet sich und seine Angestellten. Der Lohnunternehmer ist nach Auskunft der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft SVLFG verpflichtet, seinen Arbeitnehmern entsprechende Schutzkleidung zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitnehmer muss sich an die Arbeitsanweisungen halten. Dies entbindet den Arbeitgeber jedoch nicht von der Kontrollpflicht.

Ein Anwenderschutzkoffer mit neuer Ärmelschürze soll die Aufbewahrung der PSA für die Arbeiten im Feld vereinfachen. Die Schürze kann den Pflanzenschutzanzug ersetzen und soll einen höheren Tragekomfort bieten und sich unkompliziert an- und wieder ausziehen lassen. Foto: Ehnts

Persönliche Schutzausrüstung - PSA

Theoretisch können Anwender von Pflanzenschutzmitteln und Personen, die Nachfolgearbeiten in behandelten Kulturen durchführen, über die Haut oder die Lunge bzw. die Atmung Pflanzenschutzmittel in den Körper aufnehmen. Über Berechnungsmodelle lässt sich abschätzen, wie hoch diese Belastung bei bestimmten Arbeiten (Befüllen der Spritze, Anwendung, Spritzenreinigung, usw.) ist. Zur Bewertung der Exposition werden entsprechende Grenzwerte herangezogen. Persönliche Schutzausrüstung ist immer dann als Anwendungsbestimmung vorgeschrieben, wenn sie zum Schutz der Gesundheit notwendig ist. Sie ist in der BVL-Richtlinie für die Anforderungen an die Persönliche Schutzausrüstung im Pflanzenschutz (2017) genau definiert. Dazu gehören Schutzanzug, Handschuhe, Kopfschutz, Augen- und Atemschutz, Gummischürze und Fußschutz. Die im Einzelfall erforderliche Ausrüstung wird für jedes Pflanzenschutzmittel individuell festgelegt, denn sie ist abhängig von den Eigenschaften des Mittels und der Anwendungsweise. Zu finden ist diese Information auf der Verpackung. Ist dort keine spezielle Schutzausrüstung vorgeschrieben, ist aus arbeitshygienischen Gründen immer intakte Berufs- bzw. Arbeitskleidung zu tragen. Diese besteht aus einer langärmeligen Jacke und einer langen Hose beziehungsweise einem langärmeligen Arbeitsanzug. Das Material Baumwolle/Polyester mit mindestens 65 % Polyester ≥ 250 g/m2 ist vorgegeben.

In der Vergangenheit war es für den Anwender nicht gerade einfach, sich mit der richtigen PSA auszustatten. Insbesondere fehlte ein ausreichendes Angebot an zertifizierter und dennoch praktikabler Schutzkleidung. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat nun darauf reagiert und im Internet eine Datensammlung (www.bvl.bund.de/PSA) veröffentlicht, in die Hersteller von PSA geeignete (zertifizierte) Produkte eintragen können. Wer seinen Einkauf danach richtet, ist immer auf der sicheren Seite.

Quelle: Röver / Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)

Obacht bei Neuzulassungen

Die neuen Anwendungsbestimmungen führen teilweise zu Verwirrungen. So fragt sich nun manch einer, ob er ab sofort immer eine komplette Schutzausrüstung tragen muss. Grundsätzlich gilt: Es geht nicht in jedem Fall um das Maximum an denkbaren Maßnahmen. Maßgeblich ist, was genau auf den Etiketten und Verpackungen der Pflanzenschutzmittel steht. Die Vorgaben sind für jedes Produkt individuell festgelegt – und haben sich in ihrer Aussage gegenüber früher grundsätzlich nicht geändert. Dennoch kann es sein, dass auch bei langjährig bekannten Produkten mit deren Neuzulassung andere Auflagen erteilt werden. Beispielsweise kann eine Gesundheitsschutz-Auflage für Arbeiten in behandelten Pflanzenbeständen neu hinzukommen. Dies betrifft vornehmlich Arbeiten in Sonderkulturen. Es kann aber jederzeit vorkommen, dass die Überfahrt unterbrochen werden muss, um Einstellungen oder Reparaturen am Gerät vorzunehmen. Bei allen Tätigkeiten außerhalb der Kabine mit Kontakt zur behandelten Kultur oder kontaminierten Oberflächen ist ebenfalls die jeweils vorgeschriebene Schutzausrüstung zu tragen. Da bei solchen Tätigkeiten in erster Linie die Körpervorderseite exponiert ist, kann ein vorgeschriebener Schutzanzug neuerdings durch eine Kombination aus Arbeitskleidung und neuer Ärmelschürze ersetzt werden. Sie entspricht vom Material her den Vorgaben, die ein Pflanzenschutzanzug erfüllen muss, soll aber einen höheren Tragekomfort bieten und sich unkompliziert an- und wieder ausziehen lassen.

Kommt die Schutzkleidung mit Substanzen in Berührung, sollte sie so aufbewahrt werden, dass der Innenraum der Kabine nicht kontaminiert wird, vorzugsweise in einem dafür vorgesehenen Behältnis am Ausbringungsgerät oder am Traktor. Das Unternehmen Bayer CropScience hat die neue Ärmelschürze entwickelt und bietet sie zusammen mit weiteren Gegenständen der PSA in einem Anwenderschutzkoffer an. Unsere Redaktion hat ein Unboxing-Video gedreht, das den Inhalt des Koffers im Detail zeigt.

Kontaminierte Mehrweg-Handschuhe sollten abgewaschen und erst dann ausgezogen werden. Generell wird empfohlen, Einweg-Handschuhe zu verwenden und sie nach Gebrauch zu entsorgen. Die Hände sollten mit klarem Wasser gereinigt werden bevor es zurück in die Kabine geht.

Quellen: Röver / Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL); Piktogramme: Durand-Réville / www.uipp.org

Welche Kabine ersetzt die PSA?

Ganz aktuell konnte das BVL jetzt auch die Anforderung an die Schutzkleidung in den verschiedenen Fahrerkabinen konkretisieren. Demnach können auch konventionelle Traktorkabinen der Kategorie 2* den Anwender unter bestimmten Bedingungen ausreichend vor Spritznebel schützen, so dass in der Kabine keine Schutzausrüstung für Haut und Augen getragen werden muss. Die Schutzwirkung der Kabine hängt von der technischen Ausgestaltung und Handhabung ab und wird in Kategorien mit unterschiedlichem Schutzniveau eingeteilt (siehe Tabelle 1). Nach aktuellem Stand geht das BVL davon aus, dass auch entsprechend definierte, geschlossene Traktorkabinen, die nicht den Kategorien 3 oder 4 zuzuordnen sind, Spritznebel ausreichend abschirmen. Tabelle 2 zeigt, welcher Kabinentyp welche Elemente der persönlichen Schutzausrüstung ersetzen kann. Aktuell werden experimentelle Studien durchgeführt, um die neue Regelung zu überprüfen. Sie gilt deshalb für eine Übergangsphase von vier Jahren. Sobald die Untersuchungen abgeschlossen sind, wird die neue Regelung überprüft und ggf. angepasst.

Friederike Krick, Agrarjournalistin

Teaserfoto: Hackstein

Hilfreiche Links

Hinweise zu Anforderungen an die Persönliche Schutzausrüstung im Pflanzenschutz: https://www.bvl.bund.de/PSA

Fachmeldung zum Einsatz von dicht schließenden Fahrerkabinen mit Luftfiltration im Pflanzenschutz:https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Fachmeldungen/04_pflanzenschutzmittel/2020/2020_01_08_Fa_Fahrzeugkabinen_Schutzausruestung.html

Verzeichnis zugelassener Pflanzenschutzmittel mit Informationen zu allen mit der Zulassung festgelegten Anwendungsbestimmungen und Kennzeichnungsauflagen: https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/02_ZulassungPSM/01_ZugelPSM/01_OnlineDatenbank/psm_onlineDB_node.html