Lemken: "Unsere Entscheidung erforderte Mut."

Lemken stellt Ende 2020 die Produktion von Feldspritzen ein. CEO Anthony van der Ley & Iljan Schouten, Bereichsleiter Crop Care, im Exklusivinterview.
Lemken-Geschäftsführer Anthony van der Ley (l.) und Iljan Schouten, Bereichsleiter Crop Care, sehen für das Unternehmen in der Kombination aus Hacktechnik und selektiver Spritztechnik im Pflanzenschutz einen nachhaltigeren Weg als in der Produktion konventioneller Feldspritzen. Foto: Werksbild

Bodenbearbeitung, Saat, Pflanzenschutz und zuletzt Düngetechnik – im Laufe der vergangenen zehn Jahre hatte sich Lemken schrittweise und strategisch konsequent zu einem Pflanzenbau-Komplettanbieter entwickelt, der im Marktvergleich europaweit zu den führenden Anbietern gehört. Besonders die Agritechnica 2019 stellte diesbezüglich einen Meilenstein für das Unternehmen dar, durch die Kooperation mit dem französischen Hersteller Sulky Burel und die Vorstellung des mit langer Hand vorbereiteten Pflanzenschutz-Selbstfahrers.

Umso deutlichere Fragezeichen warf daher die Pressemitteilung auf, die den europäischen Agrar-Fachredaktionen kürzlich ins Haus flatterte. LOHNUNTERNEHMEN hatte die Möglichkeit, kurzfristig im Interview mit Lemken-Geschäftsführer Anthony van der Ley und mit Iljan Schouten als Bereichsleiter Crop Care über diese Fragezeichen zu sprechen.

Herr van der Ley – die Entwicklung des Pflanzenschutz-Selbstfahrers hat sicher erhebliche Kosten verursacht. Ende 2020 wird die ganze Produktsparte eingestellt. Was hat zu dieser Kehrtwende geführt?

Anthony van der Ley: Die von Ihnen beschriebenen, seit über zehn Jahren bei Lemken getroffenen strategischen Entscheidungen waren auch aus heutiger Perspektive richtig. Und seien Sie versichert: Nicht nur für mich, sondern unser ganzes Team, das enorm viel Herzblut in die Sparte Pflanzenschutztechnik investiert hat, war der Moment der Vorstellung unseres Selbstfahrers vor sieben Monaten in Hannover enorm emotional und stolz. Wir hatten angekündigt, herausragende Pflanzenschutztechnik zu entwickeln, und wir haben unser Wort gehalten.

Doch neben Emotion und Begeisterung, kurz dem Bauchgefühl, muss für Unternehmensverantwortliche die nüchterne, rationale Entscheidung im Mittelpunkt stehen: Hat ein Projekt nachhaltige Chancen, im Unternehmen für betriebswirtschaftlich gute Zahlen zu sorgen? Die Voraussetzungen dafür können sich im Laufe eines Produktentwicklungszyklus durchaus ändern, sodass bezüglich der Spritzen für Lemken die Antwort lautet: Nein, es hat keine nachhaltig positive Perspektive mehr.

Der Selbstfahrer Nova 14 wurde auf der Agritechnica 2019 vorgestellt. Foto: Werksbild

... aber binnen zwölf Monaten? Im LOHNUNTERNEHMEN-Interview aus dem Frühjahr 2019 klangen keine Zweifel an der Richtigkeit dieses Weges durch.

van der Ley: Natürlich ändern sich Marktgegebenheiten und politische Rahmenbedingungen nicht binnen weniger Monate so krass, dass man selbst größere Investitionen in den Wind schreibt, um es mal salopp zu formulieren. Und doch hat sich gerade in der europäischen Perspektive in der jüngeren Vergangenheit sehr viel verändert. Das wurde mir nicht zuletzt durch meine ehrenamtliche Tätigkeit für die beiden Verbände, den deutschen VDMA und den europäischen Herstellerverband CEMA, und meine vielfältigen Gespräche mit Kollegen anderer Unternehmen immer deutlicher bewusst.

Zu den unbestreitbaren Fakten gehört: Nach mehr als zehn Jahren hat Lemken keine marktrelevante Größe mit Feldspritzen erreicht. Angesichts des enormen Wettbewerberfeldes und stark sinkender Marktstückzahlen ist ein gnadenloser Preiskampf vorprogrammiert, der für uns kein „return of invest“ möglich macht. Außerdem steigen die gesetzlichen Vorschriften in den einzelnen Absatzmärkten und sind zunehmend heterogen.

Es gibt daher nicht den einen Feldspritzenstandard, mit dem wir unseren Qualitätsanspruch und die unterschiedlichen Wünsche der Kunden zu einer zufriedenstellenden Stückzahl bringen können. Darüber hinaus sehen wir, dass die Begrenzungen für chemische Pflanzenschutzmittel auch durch die Wünsche der Verbrauchenden immer größer werden.

Kurzum: Die rationale Bewertung des „Wo stehen wir und wo wollen wir hin?“ sowie die Entscheidung zum Stopp bei Feldspritzen war aus der ganz spezifischen Lemken-Sicht unumgänglich.

2018 hat Lemken den niederländischen Hacktechnik-Spezialisten Steketee übernommen. Foto: Noordhof

Und warum erst jetzt und nicht schon im vergangenen Sommer? Gerade die kaufinteressierten Lohnunternehmer dürften doch irritiert sein.

van der Ley: Das ist verständlich – aber wie wäre die Reaktion, wenn wir die neuen Maschinen tatsächlich in den Markt gebracht hätten und das Programm dann 2021 oder 2022 einstellen würden? Dann hätten sich unsere Profi-Kunden, allen voran die Lohnunternehmen, zu Recht verschaukelt gefühlt. Unsere Entscheidung erforderte Mut, aber wer uns kennt, weiß, dass dies keine Affekthandlung war.

Iljan Schouten: Im Gegenteil, von vielen Seiten wurde uns in den zurückliegenden Tagen Respekt gezollt und die Einschätzung formuliert, dass dies gerade in einer schwierigen Phase wie derzeit mit Corona bei vielen Unternehmern zum Nachdenken führt. Die Rahmenbedingungen für die Landwirte und damit für uns als Hersteller sind massiv im Wandel begriffen, und die Stärke bei Lemken ist unverändert, sich frühzeitig und nachhaltig darauf einzustellen. Vor diesem Hintergrund ist auch unsere Übernahme des Hacktechnik-Spezialisten Steketee vor gut zwei Jahren zu sehen. Insgesamt sind wir überzeugt, dass Lemken aus dieser Phase der Neuausrichtung erheblich gestärkt hervorgeht.

Steketee steht aber nicht nur für Hacktechnik, sondern auch für Bandspritzung und sogenanntes Spotspraying. Also bleibt Lenken in gewisser Weise doch mit Pflanzenschutztechnik aktiv …

van der Ley: Das ist richtig! Unser Ziel ist es, dass Lemken die Produktbereiche Bodenbearbeitung, Sätechnik und Crop Care weiter ausbaut. Dabei wird sich Crop Care künftig auf nachhaltige Pflanzenschutzlösungen konzentrieren, was den chemischen Pflanzenschutz definitiv nicht ausschließt! Um das ganz klar zu sagen: Es geht nicht völlig ohne Chemie, und diese Form des Bestandsmanagements zur Bekämpfung von Unkraut und Pflanzenkrankheiten bleibt auch in Zukunft wichtig. Wir sind aber überzeugt, dass die mechanische Unkrautbekämpfung zusammen mit präziser selektiver Spritzbehandlung eine umweltgerechtere und durch die Verringerung des Aufwandes auch eine betriebswirtschaftlich attraktivere Lösung im Vergleich zur Flächenspritzung sein kann.

Das Gespräch führte Jens Noordhof, LOHNUNTERNEHMEN-Chefredakteur. Das komplette Interview, in dem u.a. über die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens gesprochen wurde, lesen Sie in LOHNUNTERNEHMEN-Ausgabe 07/20.

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