LU Trend-Report: Reifen

Reifen sind nicht der größte Kostenfaktor für Lohnunternehmer, aber garantiert einer der emotionalsten. Nach welchen Kriterien werden also Reifen gekauft? Das und weitere Fragen haben wir 100 Lohnunternehmern in unserem Trend-Report gestellt.

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Drehen Sie auch am Rad?
Nein, damit ist nicht Ihre Arbeitsbelastung gemeint, die ist ohnehin hoch bis sehr hoch. Die Frage ist vielmehr im engeren Wortsinn zu interpretieren und zielt auf die Räder Ihrer Maschinen ab, besser gesagt, das Wechseln eben jener. Genau das kommt in Lohnunternehmen häufiger vor, sei es aufgrund der hohen Fahrleistungen und damit des Verschleißes, oder weil es mit den Reifen qualitative Mängel gibt. Noch reizvoller wird es, wenn die – salopp formuliert – Puschen schon nach wenigen Wochen eine Macke haben. Neue Reifen mit Rissen in Lauffläche oder Flanken, abgefahrenes Profil nach 800 Stunden – und der Hersteller bzw. Händler zuckt mit den Schultern? Zugegeben, diese Szenarien sind sicher nicht der Regelfall, aber eben auch nicht aus der Luft gegriffen. Bei unseren Besuchen draußen in den Betrieben, während der Verbandstagungen und in den Diskussionsrunden hören wir von der Redaktion immer wieder vom Problemen und „Aufregern“ rund um Reifen.Schlüsselmaschine TraktorGleiches passierte ebenfalls im Zuge unseres Trend-Reports zum Thema Reifen. Elke Rogers, unsere Kollegin aus dem Leserservice, die diese Umfragen souverän und professionell durchführt, berichtete in diesem Fall nicht nur von der großen und sehr erfreulichen Bereitschaft der befragten Unternehmer, die gestellten Fragen zu beantworten. Sie erlebte ebenso die ganze Bandbreite der Emotionen, von Begeisterung für einzelne Produkte und Marken bis hin zu großer Verärgerung über Probleme mit den Pneus. Kurzum: Selten war einer unserer Trend-Reports derart emotional unterlegt. Aber natürlich kam die sachlich-inhaltliche Perspektive zu Reifen nicht zu kurz. Unsere erste Frage, die wir den 100 Lohnunternehmern stellten, lautete:

Obwohl differenziert für Traktoren, selbstfahrende Erntemaschinen und die sogenannten Implements gefragt, fiel das Ergebnis der Antworten beinahe einheitlich aus: Deutlich mehr als 80 % sind offensichtlich sehr markenorientiert und berücksichtigen dies bereits beim Kauf der Neumaschine. Marke ist hier übrigens nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit hochpreisig. Auch im unteren Preissegment gibt es etablierte Marken. Preis- und markenbewusst zu sein, ist somit kein Widerspruch. Erste Erkenntnis der Umfrage ist somit: Lohnunternehmer sind sich der Stärken und Schwächen einzelner Marken durchaus bewusst.

Ins Auge fällt hierbei zweierlei. Erstens: Entgegen der landläufigen Meinung, Lohnunternehmer wollten immer nur „für'n Groschen auf den ersten Rang", scheint gemäß Umfrage die Qualität eindeutig vor dem Preis zu stehen. Was nicht bedeutet, dass dieser egal wäre. Die zweite Auffälligkeit: Das Traglast und Laufeigenschaften im Vergleich zur Zugkraft so viel stärker ins Gewicht fallen, bestätigt die Beobachtung, dass Traktoren in erheblichem Umfang auf der Straße unterwegs sind. Das stellt ganz andere Anforderungen an die Leistung und Materialzusammensetzung. Im Umkehrschluss sind Aspekte wie Bodenschonung und schlupfminimierte Kraftübertragung dadurch nicht minder wichtig - ein Spagat, der von den Reifenherstellern immer schwieriger zu erfüllen ist. Die eierlegende Wollmilchsau bei Reifen kann es somit weniger denn je geben. Und so verwundert es nicht, dass einzelne Lohnunternehmer inzwischen dazu übergehen, für spezifische Arbeiten jeweils eigene Reifen- und Radsätze kaufen.

Diese Konstellation bestätigt den „gefühlten" Eindruck: Ein Drittel der Zeit laufen Lohnunternehmer-Traktoren generell auf der Straße. Bei einem Drittel sind es sogar bis zu 50 % der Arbeitszeit bzw. Betriebsstunden. Ein weiteres Drittel läuft bis zu 70 % der Zeit auf der Straße, und bei sage und schreibe 13 % der Schlepper sind es über 70% der Zeit.

Was die Grafik nicht zeigt, aber von uns ebenfalls gefragt wurde, ist die künftige Entwicklung: fast zwei Drittel der Lohnunternehmer sehen diese Straße-Acker-Verhältnisse auch weiterhin so. 10 % der Unternehmer sehen ihre Traktoren künftig, prozentual betrachtet, weniger auf der Straße, wohingegen beachtliche 24 % von weiter steigendem Straßenanteil ausgehen.

Fokus ImplementsBesonders bei Transportarbeiten ist die Wahl der Reifen jedoch nicht nur für den Traktor wichtig, sondern ebenso für „Angehängtes", allen voran Lade-, Silage- und Abschiebewagen, Muldenkipper sowie Güllefässer. Legen die Lohnunternehmer hier die gleiche Messlatte an?

Bei den abgefragten Kriterien haben wir Zugkraft durch Marke ersetzt - und dabei festgestellt: Obwohl in der Eingangsfrage auch bei Implements 85 % der Teilnehmer auf Marke Wert legen, ist dieser Aspekt in Relation zu den anderen Kriterien doch eher geringer zu bewerten. Hier spielt der Preis absolut wie relativ doch eine größere Rolle. Gleiches gilt allerdings auch für die „inneren Werte" des Reifens, also die Traglast und die Laufeigenschaften, mit einigem Abstand auch die Selbstreinigung.

Inkonsequenz beim Reifendruck?
Bei aller Fokussierung auf Straßenfahrt soll natürlich auch der Acker nicht zu kurz kommen. Hier ist die Verdichtung des Bodens ein zentraler Aspekt, was wiederum unmittelbar das Thema Reifenluftdruck in die Diskussionsrunde bringt. Wir wollten wissen, ob die Landwirte nach Einschätzung der Lohnunternehmer zunehmend auf Bodenschonung achten. 74 % beantworteten dies mit Ja, 26 % mit Nein. Auf die Anschlussfrage, ob dies beim Lohnunternehmer zu vermehrtem Einsatz von Reifendruck-Regelanlagen führe, antworteten 40 % mit Ja und 60 % mit Nein. Unmissverständliches Echo der Dienstleister dazu: Die Kunden wollen dieses zwar, sind aber nicht bereit, diese Investition finanziell zu honorieren. Also unterbleibt sie. Vergessen sollten die Lohnunternehmer aber dabei nicht: Kollegen, die diesen Service auch ohne Aufpreis anbieten und nachvollziehbar praktizieren, könnten sich daraus zumindest bei einigen Kunden einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten.

Auf den ersten Blick erstaunen diese Werte etwas. Mit dem zweiten Blick schwinden die Fragezeichen allerdings. Dass zu Beispiel der Bedarf bei selbstfahrenden Erntemaschinen und Güllefahrzeugen relativ gering ist, erklärt sich aus den bei diesen Fahrzeugen ohnehin meist vorhandenen Breitreifen bzw. dem spurversetzten Fahren, wie etwa bei Gülle-Dreirädern oder Fahrzeugen mit sogenannter Hundegang-Option. Dass die Regeltechnik bei Gülletechnik so große Bedeutung hat bzw. haben sollte, ist angesichts der Gewichte logisch. Etwas erstaunlich ist der geringe Anteil bei Häcksel- und Ladewagen, denn auch hier werden die zulässigen Achslasten und damit der Bodendruck meist ausgereizt. Und auch die Notwendigkeit bei Traktoren hätte man höher erwarten können.

Raupen auf dem VormarschWenn nun aber Reifen an Grenzen kommen und Druck-Regeltechnik nur bedingt zum Einsatz kommt - wie sieht es dann mit Raupenlaufwerken aus? Gefragt haben wir hierbei nach Mähdreschern, Häckslern und Traktoren, bewusst aber nicht nach Kartoffel- oder Zuckerrübenvollerntern. Letztere sind in Sachen Raupen ebenfalls prädestiniert, aber bundesweit mit regionalen Schwerpunkten vertreten. Für die Umfrage war uns jedoch die flächendeckende Verteilung der Befragten wichtig.

Wenig überraschend an dieser Grafik ist die Erkenntnis, dass zwei Drittel der Lohnunternehmer bei den genannten Maschinen keine Raupenlaufwerke einsetzen. Beachtenswerter ist eher der Umkehrschluss: ein Drittel ist bereits dabei, fast durchgehend bei Mähdreschern. Dass es bei Häckslern „nur" 3 % sind, hat u.a. mit den typbedingten Bauformen und dem verfügbaren Platz für Raupen zu tun. Außerdem steht die von Lohnunternehmern häufig geäußerte Einschätzung im Hintergrund: Was nützen die Raupen am Häcksler, wenn Traktoren und Wagen im Morast steckenbleiben? Und für Traktoren werden die Raupenkosten nicht selten als zu hoch eingeschätzt. Doch der Weg wird längerfristig auch in der Häckselkette ein Stück weit in Richtung Raupenlaufwerke führen.

Und nun die Kosten
Der letzte Teil unserer Umfrage bezog sich - im weiteren Sinne der Definition - auf Kosten, also den Faktor Geld. Zwar ergaben die ersten Fragen ein Antwortenspektrum, bei dem der Preis eine relativ (!) geringe Rolle spielt. Aber unter absoluter Betrachtung sind Reifenkosten im Lohnunternehmen ein echter Brocken. Erstes Stichwort ist hier der Verschleiß. Wie schnell sind die Reifen „runter" und müssen gewechselt werden? Hier haben wir uns auf den Traktor beschränkt, dafür aber nach Vorder- und Heckreifen differenziert.

Das Gros der Befragten ist mit den Reifen in der Regel zufrieden. Das äußert sich auch in der Tatsache, dass 42 % der Befragten im Fall des Kaufs von Ersatzreifen die gleiche Marke wählen wie die, mit der die Neumaschine ab Werk ausgeliefert wurde. 58 % wechseln in dieser Situation die Reifenmarke - was aber nicht automatisch mit Unzufriedenheit zu tun haben muss. Mit zunehmendem Alter des Traktors reduziert sich nicht selten auch dessen Nutzungsintensität und/oder die Maschine wird für andere Arbeiten eingesetzt, bei denen andere Reifen sinnvoll sind. Doch wie viel Geld geben deutsche Lohnunternehmer pro Jahr für Reifen aus? Hier schwanken die Aussagen sicher je nach Region, Größe, Betriebsstruktur und Dienstleistungsspektrum.

Aber die erste Erkenntnis aus dem entsprechenden Diagramm ist: Jeder der befragten Lohnunternehmer gibt pro Jahr nach eigener Darstellung mindestens 20.000€ für Reifen aus - Ersatzreifen wohlgemerkt, denn die Kosten der Erstbereifung fällt ja unter die Anschaffungskosten der Maschine. Rechnet man diesen Betrag mal pauschal auf 5.000 Lohnunternehmer hoch, ergibt dies beachtliche 100 Mio. € pro Jahr. In der Realität dürfte die Summe noch einiges höher liegen. Doch egal, ob es nun 100, 120 oder 140 Mio. € sind: dieser Batzen landet zu 82 % beim Reifenfachhandel - und nicht beim Landmaschinen-Fachhandel. Das jedenfalls ergab die letzte Frage an die 100 Teilnehmer unseres Trend-Reports Reifen.

Und diese Erkenntnis ist vielleicht der dickste Brocken dieser Umfrage. Geht es dem Landmaschinenhandel zu gut, dass sich die Händler dieses Geschäft entgehen lassen können? Sicher nicht. Klar ist: Um im Reifengeschäft erfolgreich zu sein, muss man sich für dieses Thema begeistern können und sich gut auskennen, sonst lässt man besser die Finger davon. Genau das ist in so manchem Landtechnik-Fachbetrieb der Fall. Andererseits verkennt offensichtlich mancher Händler die Chance, zusätzlichen Kundenkontakt zu generieren und Kundenmaschinen auf den Hof zu bekommen, um so Zusatzgeschäfte anzubahnen, sei es im Verkauf oder im Service. Hier liegt also noch Potenzial für alle Beteiligten.

 

Jens Noordhof,Redaktion LOHNUNTERNEHMEN
Erschienen in der LOHNUNTERNEHMEN Juni 2014