Öffentliche Ausschreibungen: Was der LU wissen muss

Lesen Sie hier, was Lohnunternehmer im Bereich der kommunalen Dienstleistungen bei Angeboten für die öffentliche Hand wissen müssen.
So verlockend auch der Einstieg in den Bereich kommunaler Dienstleistungen klingt, Lohnunternehmern muss bewusst sein, welche bürokratischen Arbeiten dahinter stehen.

Das Vergaberecht ist förmlich und kennt Bewerbungsbedingungen, wie z. B. eine Frist für die Abgabe eines Angebots, Vorschriften für die Auswahl der Unternehmer, so genannte Eignungs- und Auswahlkriterien, Regeln für die Wertung der Angebote und zwingende Vertragsbedingungen. Für alle Beschaffungen gilt, dass Auftraggeber den Bedarf in Form einer Leistungsbeschreibung und eines Leistungsverzeichnisses festlegen, nur verbindliche Angebote gewertet werden und Verhandlungen über den Preis als Zuschlagskriterium unzulässig sind. Hält sich der Unternehmer nicht an die Regeln, wird sein Angebot von der Wertung, also vom Zuschlag, ausgeschlossen.

Rechtsvorschriften

Das Vergaberecht wird von den europäischen Vorschriften zum EU – Binnenmarkt beherrscht. Nationale Regelungen sind für Vergaben mit Auftragswerten unterhalb der EU – Schwellenwerte möglich; hier spricht das Recht von so genannten unterschwelligen Aufträgen.

Grundregeln für das gesamte Vergaberecht und spezielle Vorgaben für EU-weite Beschaffungen enthalten der 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und die Vergabeverordnung (VgV). Die Abwicklung von Beschaffungen ist im Übrigen in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) bzw. bei Liefer- und Dienstleistungen in der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) enthalten. In Einzelfällen verfahren die öffentlichen Auftraggeber noch nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A).

Vertragsanbahnung

Öffentliche Vergaben sind einem transparenten Wettbewerb zu unterstellen (§ 97 GWB, § 2 UVgO). Bei öffentlichen Verfahren gibt der Auftraggeber seine Vergabeabsicht bzw. die Aufforderung an Unternehmen, sich am Wettbewerb zu beteiligen, „öffentlich“ bekannt. Jedes Unternehmen kann die Vergabeunterlagen anfordern und sich durch Abgabe eines „Teilnahmeantrags“ (Teilnahmewettbewerb) bzw. eins Angebots (übrige Verfahren) „um Teilnahme am Wettbewerb“ bewerben. In diesem Stadium des Verfahrens hat die ausschreibende Stelle keinen Einfluss auf die Bewerbung bzw. Abgabe eines Angebots.

Ausschreibungen finden

Wichtig für Unternehmer: Wo sind solche Veröffentlichungen zentral hinterlegt? Zur Suche nach aktuellen Ausschreibungen bietet sich in erster Linie das Vergabeportal des Bundes unter https://www.service.bund.de/Content/DE/Ausschreibungen/Suche/Formular.html an. Unter diesem Link finden sich in der Regel zwischen 13.000 und 14.000 „laufende“ Ausschreibungen, gegliedert nach Orten und Beschaffungsgegenständen. Die dort bekannt gemachten Vergaben enthalten alles, was einen Bieter für die Abgabe eines Angebots benötigt, einschließlich einer vollständigen Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis. Die Bundesländer verfügen über eigene Vergabeportale (Tabelle 1), vielfach auch „Vergabemarktplatz“ genannt, wobei in der Regel eine Verknüpfung zum Vergabeportal des Bundes hergestellt ist. Wer besonders gründlich recherchieren möchte, kann auch hier nochmals nach seinen „Wunschvergaben“ suchen.

EU-weite Ausschreibungen

EU-weite Ausschreibungen sind unter folgendem Link veröffentlicht: https://ted.europa.eu/ (TED=Tenders Electronic Daily). Dies ist die Onlineversion des Supplements zum Amtsblatt der Europäischen Union für das europäische öffentliche Auftragswesen.

Nichtöffentliche Verfahren

Nicht öffentliche Verfahren, also „Beschränkte Ausschreibung“ oder „Verhandlungsvergabe“, schränken den Wettbewerb ein und sind an genau definierte Ausnahmen gebunden (§ 8 Abs. 3, 4 UVgO). Soweit Auftragswertgrenzen als Begründung für ein Abweichen von öffentlichen Verfahren herangezogen werden, gilt: Nicht die konkrete Vergabe, sondern dass, was für ein Jahr planmäßig anfällt, ist für die Privilegierung der nicht öffentlichen Vergabe maßgebend (§ 3 Abs. 10 VgV).

Wird kein öffentliches Verfahren durchgeführt, also bei der Verhandlungsvergabe bzw. der Beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb, liegt die Auswahl der Unternehmer, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, im pflichtgemäßen Ermessen der Vergabestelle. Auswahlkriterien sind Eignung (wie z. B. Umsatz, Referenzen) und das Nichtvorliegen von gesetzlichen Ausschlussgründen (wie z. B. gewerberechtlich relevante Vorstrafen, Steuerschulden).

Die Auswahl muss transparent und diskriminierungsfrei sein. Zur Vermeidung von Manipulationsvorwürfen sollten die Auswahlkriterien verwaltungsintern einheitlich und nachvollziehbar nach dem “Vier-Augen-Prinzip“ festgelegt werden.

Negativ für die Auswahl wirken sich Mängel bei der Ausführung von früheren Aufträgen aus. Damit klare Verhältnisse geschaffen werden, sollten die Unternehmer nach Abschluss eines Auftrags eine „Abnahmeniederschrift“ verlangen, um rechtzeitig gegen behauptete „Schlechterfüllung“ vorgehen zu können.

Wer als Bietender den Zuschlag erhält, muss diese auch vertragsgemäß erbringen. Ansonsten kann eine Vertragsstrafe drohen. Fotos: Lützen, Neumann, Schmatzler

Wirtschaftlichstes Angebot

Das Vergaberecht lässt neben dem Preis andere Wertungskriterien zu. Den Unternehmern muss bei der Angebotsabgabe transparent mitgeteilt werden, welche (Wertungs- oder Zuschlags-) Kriterien für die „Wirtschaftlichkeit“ herangezogen werden. Werden keine Kriterien genannt, ist der Preis alleiniges Zuschlagskriterium.

Nachträglich festgelegte Zuschlagskriterien sind mit den Grundsätzen einer transparenten Vergabe nicht vereinbar und könnten leicht zur Manipulation führen. Den unterlegenen Bietern müssen daher auf Verlangen auch die Gründe für die unterstellte „Unwirtschaftlichkeit“ genannt werden.

Unternehmer sollten bereits die Angebotsunterlagen darauf hin überprüfen, ob und ggf. welche „Wertungskriterien“ für die Feststellung der Wirtschaftlichkeit eines Angebots gilt. Bei Ablehnung eines preislich an erster Stelle liegenden Angebots sollte die Vergabestelle aufgefordert werden, die dafür maßgebenden Gründe zu nennen.

Ausschluss vom Verfahren

Die Frage eines Ausschlusses vom Verfahren stellt sich, wenn das Unternehmen die geforderte Eignung nicht besitzt, die Hinweise in den Bewerbungsbedingungen[1] nicht beachtet oder ein mangelhaftes Angebot abgibt. Ein Ausschluss des Unternehmens bzw. des Angebots vom Vergabeverfahren liegt in der Regel nicht im Ermessen der Vergabestelle, sondern ist zwingend.

Eignung: Eignungsanforderungen werden in der Praxis mit dem Vordruck 124 des Vergabehandbuchs Bund abgefragt. Beispiele für Eignungs-Ausschlusskriterien: Mindestumsatz eines Unternehmens, Referenzen, ordnungsgemäße Zahlung von Steuern und von Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung, keine gewerberechtlichen Verfehlungen, die zu einer rechtskräftigen Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen bzw. einer Geldbuße von mehr als 2500 Euro führten.

Mangelhafte Angebote: Ein Angebot ist dann mangelhaft, wenn z. B. eigene Geschäftsbedingungen dem Angebot beiliegen oder wenn vom Unternehmer Zahlungsziele genannt werden („Zahlung innerhalb 14 Tagen“). In die Kategorie der mangelhaften Angebote fallen auch fehlende oder spekulative Preisangaben oder Änderungen des Bieters an den Vergabeunterlagen.

Initiativbewerbung

Unternehmen steht es frei, von sich aus öffentliche Auftraggeber auf ein Interesse an einem Auftrag hinzuweisen, und um Aufnahme in eine Bewerberkartei zu bitten. Dazu kann in einem Anschreiben eines Unternehmers an den öffentlichen Auftraggeber der vollständig ausgefüllte Vordruck 124 aus dem VHB Bund bzw. eine Referenz beigefügt und, sofern vorhanden, kann auf eine Zertifizierung oder Präqualifizierung hingewiesen werden.

Bei Eignung hat der Unternehmer Anspruch auf eine diskriminierungsfreie Auswahl für einen öffentlichen Auftrag.

Wer bietet, muss leisten

Sofern ein Unternehmer, z. B. wegen unvollständiger oder mangelhafter Vergabeunterlagen, vor allem wegen Mängeln in der Leistungsbeschreibung, kein seriös kalkulierbares Angebot abgeben kann oder andere Mängel in den Unterlagen erkennt, muss der Unternehmer die Vergabestelle unverzüglich, im Oberschwellenbereich innerhalb von zehn Tagen, auf diese Sachverhalte hinweisen.

Das öffentliche Auftragswesen hat strenge Regeln. Angebote dürfen nicht „unverbindlich“, sondern müssen “verbindlich“ abgegeben werden. Ein Unternehmer, der ein Angebot abgibt, muss deshalb davon ausgehen, dass er die angebotenen Leistungen erbringen muss, wenn er sich nicht schadensersatzpflichtig machen will. Gibt der Unternehmer nur ein „unverbindliches“ Angebot ab, so ist er im Vorfeld zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen.

Im Gegenzug gilt: Bei Erfüllung aller Bedingungen wird dem wirtschaftlichsten Bieter der Zuschlag ohne nachträgliche (Preis-) Verhandlungen erteilt.

Das öffentliche Auftragswesen wird vom System von „Angebot und Zuschlag“ beherrscht. Mit dem Zuschlag wird ein verbindlicher Vertrag geschlossen. Grundlage der gegenseitigen Rechte und Pflichten sind die Leistungsbeschreibung, das Leitungsverzeichnis, die zusätzlichen, die besonderen und die allgemeinen Vertragsbedingungen (ZCVB, BVB, VOL/B). Ein gesonderter „Vertrag“ wird nach dem Zuschlag nicht mehr geschlossen.

Der Weg zum Zuschlag

Ein Unternehmer wird entweder in einem „öffentlichen“ oder in einem “nicht öffentlichen“ Verfahren aufgefordert, ein „Angebot“ abzugeben. Öffentlich sind offene europaweite bzw. öffentliche nationale Verfahren. Nicht öffentlich sind Verhandlungsverfahren (EU-weiter Wettbewerb) oder nationale beschränkte Ausschreibungen bzw. Verhandlungsvergaben ohne Teilnahmewettbewerb.

Das vom Unternehmer mit Preisen versehene Leistungsverzeichnis schließt mit einem Angebotspreis ab. Nur ein solcher abschließenden (Gesamt-) Preis kann Grundlage einer Wertungsentscheidung sein. Der Auftraggeber hat die Preise darauf hinzuprüfen, ob sie „auskömmlich“ d. h. zumindest kostendeckend und nicht überhöht sind, also in keinem Missverhältnis zur Leistung stehen.

Verlängerte Bindefrist

Es kann in Einzelfällen vorkommen, dass eine rechtzeitige Zuschlagserteilung nicht möglich ist. Um die sich daraus ergebenden nachteiligen Folgen – keine Bindung des Bieters an sein Angebot – für den Auftraggeber abzuwenden, ist es unumgänglich, dass sich der Auftraggeber baldmöglichst mit den für eine Auftragserteilung in Betracht kommenden (aussichtsreichsten) Bietern über eine Verlängerung der Zuschlagsfrist vor der Zuschlagserteilung einig wird. Das Einvernehmen der aussichtsreichsten Bieter muss schriftlich festgelegt werden.

Wird vom Unternehmer einer Verlängerung der Zuschlagsfrist nicht zugestimmt und ist die Bindefrist abgelaufen, besteht keine Verpflichtung, den Zuschlag, der jetzt zum neuen Angebot seitens der Auftraggebers wird, zuzustimmen. Geht der Zuschlag nach Ablauf der Zuschlagsfrist beim Bieter ein, so gilt dies nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung des Angebots und zugleich als neues Angebot des Auftraggebers. In diesem Fall kommt ein Vertrag nur zustande, wenn der Bieter die Annahme des neuen Angebots erklärt. Dies kann auch stillschweigend geschehen.

Zuschlag

Weist das Angebot insgesamt keine Mängel auf und gibt auch der Angebotspreis keinen Grund zur Beanstandung, erteilt die Verwaltung innerhalb der Bindefrist den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot. Damit kommt ein verbindlicher Vertrag zustande. Die Zuschlagserteilung muss als eine empfangsbedürftige Willenserklärung innerhalb der Bindefrist in einer solchen Art in den Bereich des Bieters gelangen, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen.

Damit nachgewiesen werden kann, dass die Mitteilung über den Zuschlag auf das unveränderte Angebot rechtzeitig beim Bieter eingetroffen und ein rechtswirksamer Vertrag zustande gekommen ist, wird vom Unternehmer eine schriftliche Bestätigung zum fristgerechten Eingang des Auftrags verlangt.

Wird auf ein Angebot rechtzeitig, d. h. bis zum Ablauf der Bindefrist der Zuschlag erteilt, so wird damit der Vertrag abgeschlossen. Es ist nicht erforderlich, dass der Bieter sein Angebot “annimmt”. Sollte der Bieter innerhalb der Zuschlagsfrist die Annahme des Zuschlags verweigern oder vom Angebot zurücktreten würde, wäre dies rechtlich wirkungslos.

Rechtswidrige Verweigerung

Entsprechend der angebotenen („versprochenen“) Leistung hat der Unternehmer bei einem wirksamen Zuschlag die Leistung „vertragsgemäß“ zu erbringen (§ 4 VOL/B[2]). Kommt der Unternehmer dieser Verpflichtung nicht nach, liegt eine vertragliche „Pflichtverletzung“ im Sinne des § 7 VOL/B und der §§ 280, 282, 324 BGB vor; er kommt in Schuldnerverzug wegen „Nichterfüllung“ (§§ 275, 283, 311 a BGB).

In der Praxis wird der Auftragnehmer dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Erbringung seiner Leistung („letzte Gelegenheit zur Vertragserfüllung“) setzen und diese mit der Erklärung verbinden, dass er nach Ablauf der Frist die Annahme der Leistung ablehne (Nachfrist mit Ablehnungsandrohung).

Bei einem Schuldnerverzug kann der Auftraggeber „Verzögerungsschaden“, „Nichterfüllungsschaden“ bzw. eine evtl. vereinbarte Vertragsstrafe geltend machen (§ 7 Nr.1 VOL/B, §§ 286 ff BGB, § 11 VOL/B). Bei einer rechtswidrigen Leistungsverweigerung besteht weiter die Möglichkeit, einen Unternehmer wegen „Nichtleistung“ für einen Zeitraum von bis zu drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge auszuschließen.

Hans Schaller, Dipl.-Verwaltungswirt

 


[1] Muster Vordruck 632 VHB Bund.

[2] Allgemeinen Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen (VOL/B).