VDMA Landtechnik: "Der Optimismus bleibt"
Die Covid-19-Krise ist nicht spurlos an der Landtechnikindustrie vorbeigegangen. Wie haben sich Ihre Mitglieder bisher durch die Krise manövriert?
Dr. Bernd Scherer: Sicher ist – Corona hat uns alle ordentlich durchgeschüttelt, kein Industrie- und Wirtschaftszweig ist von der Wucht des Virus und den politischen Folgen bislang unberührt geblieben. Und ganz ausgestanden ist die Sache bekanntlich immer noch nicht, wie die jüngsten, regionalen Infektionsherde zeigen.
Dennoch haben wir als Agribusiness allen Grund, optimistisch zu bleiben. Dies vor allem deshalb, weil das Produktionsgeschehen in Landwirtschaft und Landtechnik – verbunden mit strengen Schutzmaßnahmen – nahezu bruchlos weiterlaufen konnte und kann. Zwar mussten wir im Frühjahr mit temporären Teileengpässen kämpfen, die insbesondere Lieferungen aus Norditalien und China betrafen, jedoch gab es keinen politisch verordneten Lockdown der Fabriken, was in hohem Maße auch an der beharrlichen Intervention des VDMA lag. Davon profitieren wir jetzt ganz ungemein beim Hochfahren der Kapazitäten auf Normalniveau.
Welche Auswirkungen wird die Krise auf das Landtechnikgeschäft 2020 und die folgenden Jahre in Deutschland haben?
Dr. Scherer: Unstrittig ist, dass die Umsätze im laufenden Jahr zurückgehen werden. Das legen alle Befragungen im Mitgliederkreis, aber auch die Modellierungen und Projektionen unserer Ökonomen nahe. Momentan gehen wir von Rückgängen im ein- bis zweistelligen Bereich aus – eine Größenordnung, die sich angesichts der zurückliegenden Ausnahmejahre mit mehreren Allzeithochs in Serie aber ein gutes Stück weit relativiert. Die fernere Zukunft lässt sich dagegen zum jetzigen Zeitpunkt kaum seriös abschätzen.
Das ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite sehen wir aktuell einen immer noch recht passablen Auftragsbestand. Schließlich haben Landwirte und Lohnunternehmer auch in Zeiten wie diesen alle Hände voll zu tun und sind auf funktionsfähige und effiziente Technik dringend angewiesen.
Die Stimmung in der Landwirtschaft ist momentan gar nicht schlecht. Denn so sehr der Industrie- und Dienstleistungssektor auch ins Wanken geraten kann, so unverzichtbar bleibt die landwirtschaftliche Urproduktion als Fundament der gesellschaftlichen Versorgung und Daseinsvorsorge.
Anderes Thema: Werden wir zukünftig wieder einen Trend zur Spezialisierung bei den Landtechnikherstellern sehen – weg vom Long- bzw. Full-Liner? Aktuelles Beispiel ist die Firma Lemken, die die Produktion von konventionellen Pflanzenschutzgeräten eingestellt hat.
Dr. Scherer: Einen generellen Strategiewechsel kann ich ebenso wenig erkennen wie eine plausible Einheitslösung, die für jedes Unternehmen passend und effektiv wäre. Vielmehr fährt die Landtechnikindustrie seit vielen Jahren äußerst erfolgreich auf verschiedenen Wegen zum Ziel.
So gibt es einerseits viele gute Argumente für einen Longline-Ansatz, der gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der damit verbundenen Fokussierung der gesamten Prozesskette interessante Chancen eröffnet. Auf der anderen Seite stehen zahlreiche mittelständische Spezialisten, die sich mit hochgradig kundennahen Lösungen, mit großer Innovationskraft und Schnelligkeit bravourös auf den nationalen und internationalen Märkten schlagen. Mit einem Wort: Unser anhaltender Branchenerfolg verträgt nicht nur beide Ansätze, er beruht geradezu auf ihnen.
Die Fragen stellte Björn Anders Lützen, Redaktion LOHNUNTERNEHMEN