Grünlandpflege: Scharf kämmen!
Wenn unter Landwirten und Lohnunternehmern über bestmögliche Grundfutterqualität diskutiert wird, konzentrieren sich die Themen oft auf Schnittzeitpunkt, Mähereinstellung, Anwelkdauer oder Schnittlänge des Futters durch Häcksler oder Ladewagen. Doch welche Bedeutung hat eigentlich die Pflege des Grünlandes? Darüber haben wir mit Heinz-Günter Gerighausen gesprochen. Er ist Lehrer an der Fachschule für Agrarwirtschaft im nordrhein-westfälischen Kleve, unterrichtet dort angehende Agrarservicemeister und ist einer der renommiertesten Grünland-Experten Deutschlands.
Herr Gerighausen – erfährt Grünland in der Praxis die Wertschätzung, die es verdient?
Heinz-Günter Gerighausen: Wenn Sie mich so direkt fragen, antworte ich ebenso direkt: Nein! Leider haben viele Landwirte noch nicht das Bewusstsein dafür, welchen Wert ihr Grünland hat. Auf dem Acker legen sich die Landwirte mächtig ins Zeug und versuchen, das Pflanzenmanagement wirklich zu optimieren. Aber bei Grünland gewinne ich den Eindruck, es ist ein Stiefkind, sozusagen „eh da“.
Doch Gras ist wirklich mehr als ein notwendiges Übel in der Futterration. Es ist ein zentraler Futterbestandteil mit hervorragenden Leistungsreserven. Die lassen sich aber nur erschließen, wenn man dem Gras die volle Aufmerksamkeit widmet und alle Register zieht. Stattdessen dient Grünland bei uns – leider – vielfach als Entsorgungsfläche für Gülle, weil man meint, auf Gras eher fahren zu können als auf dem Acker. Das ist fatal, denn auch auf Grünland sind die schädlichen Folgen von Fahrspuren noch sehr lange negativ spürbar! Deshalb verschlauchen wir hier auf Haus Riswick seit vier Jahren konsequent, um die Narbe zu schonen – mit besten Ergebnissen.
Was bedeutet aus Ihrer Sicht, „alle Register“ zu ziehen?
Gerighausen: Dies beginnt schon damit, die Flächen regelmäßig gezielt zu bonitieren – was allerdings nach meiner Einschätzung sehr selten bis gar nicht passiert. Diesen Eindruck gewinne ich zum Beispiel immer wieder aus Gesprächen mit Fachschülern. Wer bonitieren würde, könnte sehr schnell feststellen, dass 50 % oder teilweise sogar noch mehr des Pflanzenbestandes aus unerwünschten Gräsern und Zweikeimblättrigen besteht. In Worten: Fünfzig Prozent! Auf dem Acker undenkbar – auf Grünland die Regel. Warum wird dort wissentlich bares Geld verschenkt? Auch bei Gras liegt die Wirtschaftlichkeit im bestmöglichen Aufwuchs, er ist die Basis des Erfolgs in der Rinderfütterung.
Woran liegt das?
Gerighausen: In den vergangenen zehn Jahren sind die Milchviehbestände enorm gewachsen und der Weidegang immer seltener geworden. Grasende Wiederkäuer, ob nun Rind oder Schaf, rupfen jedoch die teils unerwünschten Beipflanzen aus, und sie verdichten mit ihren Klauen die Grasnarbe. Auf reinen Mähflächen geht die Grasnarbe im Laufe der Jahre auf wie ein Hefekuchen. Lücken entstehen, und durch fehlendes Rupfen breiten sich die falschen Pflanzen aus, die Grasnarbe verändert sich massiv zum Schlechteren. Was ist also die Lösung? Wir müssen mechanisch das nachvollziehen, was früher der Weidegang geleistet hat.
Was ist dazu notwendig?
Gerighausen: Letztlich das gleiche, was die meisten Grundstücksbesitzer auch auf ihrem Rasen tun: vertikutieren. Oder wie ich immer zu sagen pflege: scharf kämmen. Damit erreichen wir, dass der Filz herauskommt, genauso wie unerwünschte Zweikeimblättrige. Und auch Beigräser, wie gemeine Rispe, wolliges Honiggras oder weiche Trespe, bekommt man bei konsequenter Anwendung gut in den Griff. Nicht zu vergessen: Die Bestockung der Futtergräser wird enorm angeregt – schließlich ist das Ziel, pro Quadratmeter zwischen 8.000 und 10.000 Triebe zu haben.
Und das soll reichen?
Gerighausen: Natürlich ist Striegeln allein nicht genug. Doch wir haben mehrere Versuche angelegt, mit unterschiedlicher Technik, in verschiedenen Intensitäten, natürlich immer im Vergleich mit unbehandelten Flächen. Da zeigte sich, dass zwischen dem Striegeln im März und dem Vergleichszeitpunkt im Juni gigantische Unterschiede zu sehen waren, die selbst erfahrene Praktiker nie erwartet hätten! Anders ausgedrückt: Allein durch regelmäßiges, intensives Striegeln erholt sich die Grasnarbe rasch.
Wie sieht es mit dem Schleppen, Walzen und Nachsäen aus?
Gerighausen (schmunzelnd): Das klingt fast wie „waschen, legen, föhnen...“. Aber im Ernst: Sie haben völlig Recht. Auch das Schleppen der Wiesen zur Einebnung von Maulwurfshügeln ist wichtig – und geschieht nicht überall. Walzen und nachsäen sind ebenfalls sehr gut und wichtig – aber nicht einfach stumpf sofort nach dem Striegeln. Mit sofortigem Walzen würde ich lockeres Pflanzenmaterial ja wieder andrücken und das Weiterwachsen ermöglichen. Also erst striegeln und nachsäen, dann das gelöste Material einige Tage welken lassen, dann walzen.
Seit einigen Jahren beobachten wir zumindest hier bei uns eine zunehmende Frühjahrstrockenheit. In dieser Situation wäre Nachsaat wenig hilfreich. Deshalb ist meine Empfehlung, im März das erste Mal zu striegeln, und zwar ruhig mit „auf Griff“ gestellten Zinken, selbst auf die Gefahr hin, dass die Wiese hinterher schwarz aussieht. Das macht nichts, im Gegenteil, die Grasnarbe kommt dann richtig gut in Gang. Im Spätsommer wäre ein zweites Mal zu striegeln – und DANN je nach Zustand der Grasnarbe zwischen 5-10 kg Gras/ha zu säen. Hierfür reichen die Niederschläge dann erfahrungsgemäß aus, und das junge Gras hat genügend Zeit, bis zum Winter buchstäblich gut Fuß zu fassen.
Wie soll die Düngung gestaltet werden?
Gerighausen: Auch, wenn es nach einer Lehrbuchformulierung klingt: angepasst auf Standort und Entzug. Das gilt nun mal unverändert – und wird leider in der Praxis immer noch zu oft missachtet. Ich erinnere dabei an meine Eingangsbemerkung der Entsorgungsfläche. Phosphor und Kali sind dort, wo Gülle ausgebracht wird, in der Regel nicht das Problem. Bei Stickstoff empfehle ich 2-2,5 kg N/dt Trockenmasse.
Und was ist mit Kalk?
Gerighausen: Da sprechen Sie den nächsten wunden Punkt der Praxis an. Schon Ackerflächen werden vielfach zu wenig gekalkt – bei Grünland ist dieser Mangel teilweise jedoch dramatisch. Wenn der pH-Wert nicht stimmt, sind alle anderen genannten Maßnahmen in ihrer Wirkung deutlich eingeschränkt! Ganz wichtig ist also, auch auf Grünland überhaupt erst einmal Bodenproben zu nehmen und so den tatsächlichen Zustand zu ermitteln. Und zwar, bevor man Geld in weitere Maßnahmen investiert. Das Aufdüngen ist dann nicht wirklich der größte Kostenfaktor, im Gegenteil.
Stichwort Kosten: Liegt hier die Ursache dafür, dass Landwirte ihrem Grünland nicht immer die
wünschenswerte Pflege angedeihen lassen?
Gerighausen: Wer sich damit herausredet, betrügt sich selbst! Wenn ich eine Vollkostenrechnung aufstelle, und zwar inklusive Arbeitsentlohnung, komme ich für die Arbeitsgänge Schleppe, Striegel, Nachsaat und Walze zusammen auf gerade einmal 45 €/ha und Jahr. Das kann nicht die Ursache sein. Und es wäre auch fatal, einfach nur den billigsten Striegel zu kaufen. Dieses Gerät ist für mich ebenso wichtig wie der Mäher, Wender und Schwader! Für einen Wender mit 16 m Arbeitsbreite, der noch keine 30 h im Jahr im Einsatz ist, geben Landwirte bis zu 35.000 € aus, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber der Striegel mit Nachsätechnik ist nicht drin? Das kann es nicht sein. Mit welcher Technik kriegt man solche tollen Effekte hin? Normalerweise undenkbar. Und um noch einmal auf die Kosten zurückzukommen: Würde Grünland richtig gepflegt, entsprächen die Kosten einem notwendigen Mehrertrag von etwa 3-3,5 dt TM/ha bzw. 1 t Silage. Der tatsächliche Mehrertrag liegt aber um ein Vielfaches höher. Es gibt aus meiner Sicht kein Produktionsverfahren, das wie Grünland mit so wenig Input so tolle Resultate bringt und so tolle Reserven aufdeckt.
Können die niederländischen Landwirte ein Vorbild sein, was die Grünlandpflege angeht?
Gerighausen: Ja und Nein. Ja, wenn es um eine konsequente und regelmäßige Bonitierung sowie die Realisierung der notwendigen Maßnahmen geht. Hier sind unsere westlichen Nachbarn absolut professionell und europaweit führend. Nicht notwendig ist es aus meiner Sicht jedoch, die Grünlandflächen alle fünf bis sechs Jahre komplett umzubrechen, wie es dort häufig geschieht. Denn Fläche ist dort ein noch viel knapperer Faktor als bei uns, gerade bei Grünland. Sehr wichtig ist aber die gute Pflege – dann klappt es auch mit den Erträgen!
Das Interview führten Jens Noordhof und Björn Anders Lützen, Redaktion LOHNUNTERNEHMEN
Den vollständigen Bericht lesen Sie in der Zeitschrift LOHNUNTERNEHMEN Ausgabe Oktober 2018.