Kommentar: Aus der Krise lernen
Einer Katastrophe wie der Corona-Pandemie etwas Positives abgewinnen zu wollen, scheint angesichts hunderttausender Toter und der vermutlich größten Wirtschaftsrezession seit Ende des 2.Weltkriegs vermessen - aber nur auf den ersten Blick. Denn die Pandemie ist in vielfacher Hinsicht ein gewaltiger Stresstest für Wirtschaft und Gesellschaft, der viele Schwachstellen offenbart hat.
Nicht alle waren neu, aber sie wurden schonungslos ins Scheinwerferlicht gezerrt. Dazu gehört die Störungsanfälligkeit globaler Lieferketten genauso wie die Erkenntnis, dass nicht jeder Bereich in Wirtschaft und Gesellschaft rein ökonomischen Prinzipien unterworfen werden sollte. Das gilt für die Ausstattung von Schulen genauso wie für das Gesundheitssystem oder für den Ausbau der digitalen Infrastruktur.
Digital ergänzt, ...
Versprochen wurde in der Vergangenheit viel, passiert ist viel zu wenig. Bleibt zu hoffen, dass von den Billionen (!) der derzeitigen Hilfsgelder auch ein wenig für die nachhaltige Stärkung der systemrelevanten Bereiche fließt. So könnte die Krise zum Katalysator für nachhaltig positive Veränderungsprozesse werden.
Deutlich verändert hat sich bereits jetzt unser Zusammenleben, privat wie beruflich. Die seit März geltenden Beschränkungen werden langsam gelockert, sodass sich eine leichte Hoffnung auf Normalität breitmacht. Doch in den Zustand vor Corona werden wir vermutlich so schnell nicht zurückkehren – vielleicht auch gar nicht mehr. Distanz und Vorsicht sind Verhaltensweisen, die uns noch lange erhalten bleiben müssen.
Manches hat sich durchaus bewährt, wie zum Beispiel das verstärkte Arbeiten im Homeoffice. Zwar ist dies besonders für Familien mit kleineren Kindern angesichts geschlossener Kindergärten und Schulen ein gewaltiger Spagat, doch es hat sich gezeigt, dass sich die Arbeitseffizienz in häuslicher Klausur durchaus verbessern kann. Vielleicht sorgt diese Erkenntnis ja auch bei einigen Chefs für ein Umdenken.
... ersetzt analog aber nicht
Aber so hilfreich Videokonferenz-Softwarelösungen wie Zoom, Teams & Co. auch sind – den direkten Kontakt, das persönliche Gespräch, das Zwischenmenschliche können sie nicht ersetzen. Das gilt nicht nur im Kollegenkreis, sondern zum Beispiel ebenso in der Beziehung Kunde-Lieferant. Messen, Ausstellungen und Tagungen waren und sind nach wie vor nicht möglich, sodass viele Hersteller verständlicherweise auf andere Kommunikationswege sinnen, um von ihren Produkten zu überzeugen.
Wer aus dieser Not jedoch auf Dauer eine Tugend machen will, ist meines Erachtens auf dem Holzweg. Genauso wenig, wie Online-Foren, Newsletter und Influencer-Videos den vielfachen Wert gedruckter Fachzeitschriften ersetzen, sind virtuelle Messen kein gleichwertiger Ersatz für die persönlichen Gespräche und das Live-Erlebnis auf Tagungen und Feldtagen.
Schließlich handelt es sich bei Technik, die von Lohnunternehmen gekauft wird, nicht um simple Ware von der Stange, sondern um komplexe, beratungsintensive und teure Investitionsgüter, mit denen Geld verdient werden soll. Digital ist eben nicht alles, Analoges bleibt wichtig – auch nach Corona.
Jens Noordhof, Chefredakteur LOHNUNTERNEHMEN