LU-Rechtstipp: Praktika zählen nicht zur Probezeit

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass ein dem Ausbildungsverhältnis vorhergehendes Praktikum nicht auf die mit dem Beginn des Ausbildungsverhältnisses laufende Probezeit angerechnet werden darf.

Im konkreten Einzelfall (BAG, Az.: 6 AZR 844/14) schlossen Kläger und Beklagte im Frühjahr 2013 einen Ausbildungsvertrag ab dem 1. August 2013 über die Ausbildung des Klägers als Kaufmann im Einzelhandel mit einer Probezeit von drei Monaten. Da der Kläger die Zeit bis zum Ausbildungsbeginn nicht ungenutzt verstreichen lassen wollte, schlossen die Parteien zudem einen „Praktikantenvertrag“ mit einer Laufzeit bis zum 31. Juli 2013. Am 29. Oktober 2013 kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis fristlos.

Der Kläger hält diese Kündigung für unwirksam, da sie nach Ablauf der Probezeit erklärt worden sei. Das dem Berufsausbildungsverhältnis vorausgegangene Praktikum sei auf die Probezeit anzurechnen. Die Beklagte habe sich bereits während des Praktikums ein vollständiges Bild über ihn machen können.

Alle Instanzen haben die Klage abgewiesen. Das BAG stellt klar, dass das Berufsausbildungsverhältnis durch die Beklagte während der Probezeit fristlos gekündigt werden konnte und dass die Tätigkeit des Klägers vor dem 1. August 2013 nicht zu berücksichtigen sei. Dies würde auch gelten, wenn es sich hierbei nicht um ein Praktikum, sondern um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hätte.

§ 20 Satz 1 Berufsausbildungsgesetz (BBiG) ordne zwingend an, dass das Berufsausbildungsverhältnis erst mit der Probezeit beginne. Beide Vertragspartner sollen damit ausreichend Gelegenheit haben, die für die Ausbildung im konkreten Ausbildungsberuf wesentlichen Umstände eingehend zu prüfen. Dies sei aber nur unter den Bedingungen des Berufsausbildungsverhältnisses mit seinen spezifischen Pflichten möglich.
 

Ergänzende Hinweise:

  • Die Probezeit darf im Berufsausbildungsverhältnis maximal vier Monate betragen.
  • Nach Ablauf der Probezeit kann der ausbildende Betrieb das Ausbildungsverhältnis nur noch außerordentlich, d. h. fristlos aus wichtigem Grund kündigen.
  • Der Auszubildende selbst kann das Ausbildungsverhältnis hingegen stets mit einer Frist von vier Wochen unter Angabe eines Grundes kündigen.

Diese Grundsätze sind Spezialitäten des Berufsausbildungsrechts, in den §§ 20, 22 BBiG verankert und Ausdruck des besonderen Schutzes von Auszubildenden in Deutschland.

 

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