LU-Umfrage: Kundenliquidität

Niedrige Produktpreise bei Milch und Schweinen sorgen bei den Landwirten für schlechtere Liquidität. Welche Folgen hat das für die Lohnunternehmer? Und wie reagieren sie darauf? Wir haben bei drei Lohnunternehmen nachgefragt.
Marko Jumpers registriert trotz Milchpreiskrise gegenwärtig noch keine Zahlungsprobleme seiner Kunden.

Hinweis: Diesen Artikel gibt es auch zum Anhören als Podcast.

 

Selbst aktiv ansprechen

LU Marko Jumpers aus Aachen, am südwestlichen Rand Nordrhein-Westfalens, sieht gegenwärtig noch keine akuten Probleme. Milchviehbetriebe und Biogasanlagen bilden für ihn und seinen Bruder Udo mit 70 % den größten Umsatzanteil und auch das Gros der insgesamt rund 250 Kunden. Außenstände aus 2015 blieben nicht offen, wie er zufrieden berichtet, und auch im ersten Halbjahr 2016 gab es keine ungewöhnlichen Vorfälle durch unbezahlte Rechnungen. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe war der erste Grasschnitt beendet. „Die Rechnungen haben wir, wie immer, gut eine Woche nach Abschluss der Aufträge geschrieben. Bezahlt wird in der Regel nach Beendigung der Arbeiten. Denn Anfang und Mitte eines Monats erhalten die Landwirte Milchgeld, können also Rechnungen begleichen. Und das funktioniert gut, auch jetzt; bereits eine Woche nach Rechnungsdatum war mehr als die Hälfte des ersten Schnittes bezahlt – genau wie sonst auch“, erklärt er.

Keinen Hehl macht er daraus, dass der eine oder andere Landwirt im Vorfeld versucht hatte, Zahlungsziele zu verlängern. „Das kam in diesem Frühjahr etwas häufiger vor als in anderen Jahren, trotzdem waren und sind das Einzelfälle. Aber wie immer habe ich mich nicht darauf eingelassen. Schließlich treten wir mit Maschinen, Diesel und natürlich den Lohnkosten für unsere zwölf festen Mitarbeiter sowie acht Saisonkräfte erheblich in finanzielle Vorleistung“, betont Marko Jumpers.

Es ist immer besser, frühzeitig Lösungen zu finden, statt abzuwarten, bis ein Problem auf die Füße fällt. Marko Jumpers

Als sehr hilfreich bewertet er seine Vorgabe, dass die Kunden unmittelbar nach Abdecken des Futtersilos oder nach Abschluss anderer Arbeiten gleich auf dem Feld dem jeweiligen Jumper-Mitarbeiter die ordnungsgemäße und vollständige Leistung schriftlich bestätigen. „Sollte es zu Unstimmigkeiten kommen, können sie gleich vor Ort geklärt werden. Und hinterher gibt es so gut wie nie Reklamationen der Rechnungen, also auch keine Anlässe zur Verzögerung der Zahlung.“

Mahnschreiben waren für ihn deshalb selten notwendig. Und wenn ein Kunde in Verzug ist, bevorzugt der Lohnunternehmer das direkte Gespräch statt formeller Schreiben. Bisher habe sich diese Vorgehensweise bewährt, wie er hinzufügt: „Wir arbeiten in der Futterernte fast ausschließlich mit langjährigen Stammkunden, also in einer stabilen Geschäftsbeziehung. Da wäre es meiner Meinung nach kontraproduktiv, gleich stumpf mit der Mahnkeule draufzuschlagen.“

Dennoch müsse man kein Prophet sein, um angesichts weiter fallender Milchpreise für das zweite Halbjahr mit Zahlungsverzögerungen einzelner Kunden zu rechnen. Ein Engpass könnte der Herbst werden, wenn der Lohnunternehmer die Rechnungen für den letzten Grasschnitt sowie die Maisernte verschickt und die Landwirte zudem auch ihre jährliche Flächenpacht bezahlen müssen, so seine Erwartung.

Deshalb denkt er darüber nach, eventuell im Spätsommer selbst aktiv zu werden und diejenigen Landwirte anzusprechen, bei denen es knapp werden könnte. „Das ist natürlich ein heikles Thema. Aber meine Erfahrung zeigt, dass es immer besser ist, frühzeitig Lösungen zu finden, statt abzuwarten, bis uns ein Problem auf die Füße fällt.“  Abstimmung ist ihm auch unter Berufskollegen wichtig – zum Beispiel, wenn bisherige Nichtkunden aus der Peripherie seines Einzugsradius bei ihm anklopfen. „Wechselbewegungen gibt es nicht oft, aber doch immer mal wieder, auch bei uns. Doch wenn die Ursache die Zahlungsschwierigkeiten sind, gilt es, aufzupassen. Da ist es gut, wenn man trotz allen Wettbewerbs auch mal bei Berufskollegen nachfragen kann. Diesbezüglich haben wir hier in der Region ein gutes Netzwerk“, meint er.

Beate Langbehn sieht in regelmäßigen Abschlagszahlungen eine Möglichkeit, Zahlungsprobleme von Landwirten zu verringern.

Konsequent sein

Der 1. Grasschnitt lief für das Team bei LU Jörg Langbehn im ostholsteinischen Gosdorf zum Zeitpunkt der Umfrage noch auf vollen Touren. Somit waren viele Rechnungen noch nicht verschickt und keine Aussage über eventuelle Veränderungen des Kunden-Zahlungsverhaltens möglich, wie Beate Langbehn berichtet. Größere Probleme erwartet sie kurzfristig allerdings nicht: „Die Arbeiten des Maislegens im Frühjahr sind bezahlt worden. Und auch aus 2015 sind keine nennenswerten Außenstände offen geblieben.“

Ob sich dieses im Laufe des Jahres ändern könnte, vermag sie nicht abzuschätzen. Seitens der Kunden seien jedenfalls bisher keine entsprechenden Äußerungen oder Anfragen gekommen. „Die meisten der Milchviehbetriebe hier betreiben auch Ackerbau, haben also neben der Milch auch noch ein anderes Standbein als Einkommensquelle“, meint sie und fügt noch hinzu: „Außerdem haben wir glücklicherweise einen sehr hohen Anteil langjähriger Stammkunden, die mein Mann und ich sehr gut kennen und deren Situation wir in der Regel gut einschätzen können.“

Rechnungen werden einmal wöchentlich verschickt, und dies stets nur zu Aufträgen, die abgeschlossen sind. Zahlungsziele sind „sofort nach Erhalt der Rechnung“, also kurzfristig und ohne Sonderregelungen. Mehr Zeit lässt sich das Unternehmerehepaar jedoch bei Mahnungen. „95 % der Rechnungen werden anstandslos bezahlt, nicht immer sofort, aber schon innerhalb von 14 bis 20 Tagen“, so Beate Langbehn. Das sei auch für die eigene Liquiditätsplanung des Lohnunternehmens wichtig.

Einmal monatlich geht die Unternehmerin das Thema Mahnungen an. Ob dies mündlich oder schriftlich geschieht, entscheiden ihr Mann Jörg und sie im Einzelfall. „Geld anzumahnen, ist immer eine Gratwanderung. Einerseits müssen wir auf konsequente Linie achten, schließlich sollen die Löhne unserer acht festen Mitarbeiter und Saisonhilfen und die Rechnungen unserer Lieferanten pünktlich bezahlt werden. Andererseits möchten wir natürlich die Geschäftsbeziehungen zu den Kunden nach Möglichkeit erhalten“, betont sie.

Geld anzumahnen, ist immer eine Gratwanderung. Beate Langbehn

Im vergangenen Winter hat sie ein Weiterbildungsseminar zum Thema Mahnungen besucht und für sich interessante Anregungen mitgenommen. „Gleich am nächsten Tag habe ich drei Kunden angerufen, bei denen Rechnungen noch offen waren und dabei zumindest bei zwei Gesprächen durchaus positive Reaktionen bekommen. Darüber zu reden, ist grundsätzlich ein guter Weg“, findet sie. Dass Telefonate jedoch nicht die gleiche rechtliche Verbindlichkeit haben wie eine schriftliche Mahnung, ist ihr sehr wohl bewusst. Grundsätzlich schreibt sie sich bei Mahntelefonaten deshalb ein kurzes Protokoll mit Namen des Gesprächspartners, Datum und Uhrzeit, um bei späteren Diskussionen inhaltlich sattelfest zu sein. Ist eine zweite, dann schriftliche Mahnung nicht vermeidbar, werden eine Mahngebühr in Höhe von 20 € sowie Verzugszinsen berechnet, derzeit 5 % über dem Basiszinssatz.

Dennoch gebe es, wie wohl in jedem Lohnunternehmen, durchaus eine Handvoll besonderer „Wackelkandidaten“ – dies aber nicht erst seit dieser Milchpreiskrise. Deutliche Verzögerungen der Zahlungen seien dort nicht neu, aber in der Regel lösbar. Wo dies nicht gelinge, bleibe eben nur der Weg zum Anwalt. „Doch das ist glücklicherweise bisher eine Ausnahme.“

Als eine denkbare Lösung bei sich abzeichnenden Liquiditätsengpässen der Kunden sieht sie das Instrument der Abschlagszahlungen – nicht zum Abstottern einer geschriebenen Rechnung, sondern im Vorfeld. „Bisher ist dies hier in der Region nicht üblich und somit schwer umzusetzen. Aber wenn sich die Milchpreise nicht bald erholen, könnte es für einige Landwirte eng werden und die Abschläge ein guter Weg für alle Beteiligten sein“, meint sie abschließend.

Jens Niemczyk beobachtet, dass nicht nur finanziell angeschlagene Landwirte aus der Milchviehhaltung aussteigen, sondern auch gut laufende Betriebe.

Starker Strukturwandel

Am Rand von Cuxhaven, in Sichtweite der Elbmündung und damit mitten in einem Grünlandgebiet ist das Lohnunternehmen von Jens Niemczyk angesiedelt. Landwirtschaftliche Dienstleistungen bilden den größten Part des Umsatzes, und hierbei hat die Futterernte einen herausragenden Stellenwert. Inwieweit die Milchpreiskrise zu Zahlungsschwierigkeiten führt, lasse sich zurzeit noch nicht abschätzen. Derzeit gebe es keine akuten Probleme. Nicht alle Betriebe sind existenziell gefährdet, so seine Einschätzung. Gut aufgestellt seien diejenigen, die ihre Ställe bezahlt haben oder es schaffen, in Abstimmung mit den Banken die Tilgungen zeitweise auszusetzen.

„Wir haben durchaus auch Landwirte mit guter Liquidität, die selbstbewusst Preise verhandeln wollen“, meint er. Davon und von Rabatten hält der Unternehmer nichts, denn die Preise seien scharf kalkuliert. „In schlechten Phasen fordern Landwirte von uns Lohnunternehmern gern finanzielle Solidarität ein. In besseren Zeiten lässt sich das aber erfahrungsgemäß nicht wieder zurückdrehen.“

Der Strukturwandel in der Region wird seines Erachtens durch die aktuelle Situation beschleunigt. Allerdings beobachtet er diesen Ausstiegstrend nicht nur bei finanziell schwach aufgestellten Landwirten. Auch Betriebe mit guten Strukturen und guter Liquidität gehören dazu, so Niemczyk. „Die Fläche bleibt gleich, die Zahl der Kühe nahezu auch. Aber die die Zahl der Lohnunternehmer-Kunden sinkt zügig, und damit ändert sich generell auch die Art der Zusammenarbeit. Das hat mindestens so gravierende Folgen wie kurzfristige Zahlungsschwierigkeiten als Folge des Milchpreis-Tiefs“, ist er überzeugt.

Akuten Handlungsbedarf bezüglich veränderter Rechnungsstellung oder Mahnungen sieht der Lohnunternehmer nicht. Rechnungen werden zeitnah, meist innerhalb einer Woche geschrieben. Als Zahlungsziel gelten bei LU Niemczyk 14 Tage. Die meisten Kunden bleiben innerhalb dieser Frist, einige wenige überschreiten sie, teils auch deutlich. „Wichtig ist mir deshalb, dass ausstehende Beträge konsequent eingefordert werden. Und wer nicht pünktlich zahlt, weiß auch, dass er beim nächsten Schnitt nicht als erster bedient wird. Das zieht durchaus.“

Konkrete Sorgen hat er deswegen mit Blick auf das zweite Halbjahr bisher nicht. Allerdings sei von außen nicht abschätzbar, welcher Kunde wie lange finanziell durchhalten könne. Zu denken gibt ihm, dass erste Banken dem Vernehmen nach dazu überzugehen scheinen, die Kreditlimits für Milchviehhalter zu senken. In den vergangenen 16 Jahren habe es in seinem Kundenkreis keine Insolvenzen gegeben – aber auszuschließen sei das künftig nicht. „Und nicht nur die Lohnunternehmer schreiben den Landwirten Rechnungen, sondern genauso die Landhändler und Maschinenlieferanten. Wenn alle nur noch auf die staatlichen Prämienzahlungen an die Landwirte warten können, haben wir ein Problem.“

Fazit

Als Fazit der drei bisherigen Statements lässt sich festhalten: Bis Anfang Juni war das Kunden-Zahlungsverhalten bei den drei Lohnunternehmern im Wesentlichen wie immer. Das Gros zahlt pünktlich, und einige Wackelkandidaten gibt es immer. Allerdings waren die Rechnungen für den 1. Grasschnitt zum Zeitpunkt der Umfrage gerade erst verschickt, sodass noch kein Rückschluss auf Veränderungen möglich war. Die Einschätzung des zweiten Halbjahres fällt angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen zurückhaltend aus. Noch klemmt es finanziell nicht, aber eine gewisse Sorge bleibt.

Im Rahmen der Umfrage gab es allerdings auch Statements von Lohnunternehmern und –innen, die zwar eine offene Einschätzung gaben, aber nicht namentlich erwähnt werden wollten. Dabei war die Schwankungsbreite der Einschätzungen durchaus breit gefächert. Sie reichte von der selbstbewussten Variante („Wackelkandidaten unter den Kunden sind kein Problem, denn die haben wir längst aussortiert“) bis hin zu großer Skepsis („Für den Herbst sehen wir echt schwarz, es ist kaum noch finanzieller Spielraum da“).

Grundsätzlicher Tenor war, das Thema Mahnungen zumindest in der schriftlichen Form nach wie vor vorsichtig zu handhaben, um gute Kunden nicht zu verärgern.

 

Jens Noordhof, Redaktion LOHNUNTERNEHMEN

Erschienen in der LOHNUNTERNEHMEN Juli 2016