Mähdrusch: Die Kapazität ist da

Lieferprobleme der Industrie könnten Lohnunternehmern in der Ernte 2022 unerwartete Mähdruschaufträge bescheren. Ein Kommentar von Jens Noordhof.
Jens Noordhof, Chefredakteur der Zeitschrift LOHNUNTERNEHMEN

Die teils langen und nach wie vor weiter wachsenden Lieferfristen der Landtechnikindustrie sind für alle Beteiligten – Kunden, Händler und Hersteller – ein großes Ärgernis. Die Ursache ist bekannt: Corona-bedingte Produktionsausfälle, fehlende Transportkapazitäten und der Ukraine-Krieg haben die einst reibungslos laufenden Lieferketten nachhaltig aus dem Takt gebracht. Mehrarbeit, Mehrkosten, und vor allem das Fehlen der für den Einsatz fest eingeplanten Kapazitäten, fordern daher große Flexibilität und viel Geduld. Offiziell gibt es seitens der Industrie dazu keine Aussagen, aber hinter vorgehaltener Hand ist zu hören, dass zum Beispiel zwischen 10 % und 20 % selbst der frühzeitig bestellten Mähdrescher, Roder oder Häcksler nicht pünktlich zu Erntebeginn verfügbar sein werden.  

Wohl dem Lohnunternehmer, der seine alte Maschine nicht vorzeitig verkauft hat, wenngleich die vergleichsweise hohen Gebrauchtmaschinenpreise dazu verlockt haben könnten. Auf Industrieseite hat die löbliche Suche nach Lösungen für die Kunden dagegen zu großer Kreativität geführt. Diese reicht vom angeblichen Aufkaufen großer Chargen Waschmaschinen, um an die begehrten Mikrochips zu kommen, bis hin zum Plan, zum Beispiel versetzten landwirtschaftlichen Mähdrescher-Käufern die Dienste regionaler Lohnunternehmer zu vermitteln (und zu bezahlen). Corona als ABM-Maßnahme für Lohnunternehmer – wer hätte das 2021 für möglich gehalten? Ich jedenfalls nicht. Ebenso wenig übrigens, dass Gülle als Folge explodierender Mineraldüngerpreise binnen Jahresfrist zur begehrten Bückware werden könnte. Nichts scheint mehr undenkbar. 

Selbst, wenn Sie noch nicht von einem Hersteller „gebucht“ worden sind, macht es Sinn, im eigenen Umfeld mal die Lage zu sondieren und selbst gezielt Kunden anzusprechen, die dank fehlender Neutechnik ein Kapazitätsproblem haben könnten. Die meisten LU-Mähdrescher dürften noch nicht an der Auslastungsgrenze vorbeischrammen. Daran zu glauben, dass diese Hilfe in der Not bei Landwirten vielleicht auch zu der Erkenntnis führt, dass der Lohnunternehmer sowieso die wirtschaftlichere Alternative ist, ist vermutlich „blauäugig“. Das haben sowohl die ökonomisch vielfach unsinnigen – um nicht zu sagen teils aberwitzigen – bäuerlichen Einkaufsorgien im Zuge der Bauernmilliarde ebenso gezeigt wie das völlig verregnete Erntejahr 2017. Mir sind Lohnunternehmer noch gut in Erinnerung, die im Einsatz für ihre Kunden sogar zusätzlich Draper-Schneidwerke kauften, um selbst unter widrigen Bedingungen ernten zu können. Wie lautet doch die passende Redewendung dazu? Der Dank wird ihnen ewig nachschleichen und sie nicht erreichen. Höhere Druscherlöse oder Folgeaufträge waren in den meisten Fällen jedenfalls nicht zu erzielen. Aber wenn sich jetzt sozusagen im Vorbeilaufen eine zusätzliche Auslastung vorhandener Technik ergäbe, sollte die Chance genutzt werden. Jeder Hektar zählt – die Kapazität bei Lohnunternehmern ist jedenfalls da.  

Jens Noordhof, Redaktion LOHNUNTERNEHMEN