Februar 2015: LU Müller

„So vielseitig wie ein Schweizer Offiziersmesser“, so bewirbt die schwedische Firma Huddig ihr Flaggschiff, den Spezialschlepper 1260. Tatsächlich lässt sich kaum sagen, als was das der knallrote Knick-Lenker bezeichnet werden soll, der seit November 2012 für die Agrar- und Biomasse Service Mittelhessen GmbH im Einsatz ist.

Nur wenige Autominuten westlich von Gießen liegt die Gemeinde Heuchelheim. Hier, mitten in der von Senken und Bergen geprägten Landschaft des Gießener Beckens, liegt der Maschinenstandort der Biomasse- und Agrarservice Mittelhessen GmbH. „Als ich meine Lehre als Landwirt hier anfing, war das hier noch der Kuhstall“, erzählt der Inhaber Tobias Müller, während er durch die Werkstatt läuft: „Als ich das Lohnunternehmen gründete, hatte ich nichts außer meiner Arbeitskraft. Mit der Zeit habe ich dann Maschinen gekauft, die Ideen zu den Geschäftszweigen entwickelten sich und Mitarbeiter kamen dazu.“ Die Werkstatt und die Stellplätze für die Maschinen hat der Agrarservicemeister von seinem alten Lehrbetrieb gemietet. In drei ehemaligen Fahrsilos lagert er Hackschnitzel, getrennt nach Qualitäten, für Industriekunden. Gehäckselt wird mit einem Jenz Chippertruck HEM 561 und einem Jenz HEM 420. Über einem weiteren Silo spannt sich ein Zeltdach, darunter wartet ein Fendt 927. An der Seite steht ein Seppi Forstmulcher, abgekuppelt. Es ist Anfang April, die Zeit der Pflegemaßnahmen ist eigentlich vorbei.

Der Mulitfunktionsträger ist mit Pendelknick-Lenkung und Rototilt ausgestattet.

Zwischen Forst und Kommune
Zum ersten Mal seit Wochen zeigt das Thermometer Temperaturen deutlich über 0°C, kaum eine Wolke steht am Himmel und die Sonne wärmt kräftig. Nur wenige Tage später wäre es schwer geworden den Huddig 1260B im Einsatz sehen zu können, aber noch ist nicht Brut- und Setzzeit. Der zuständige Förster hat eine letzte Fahrt an den Waldrand abgenickt.
Die Region zwischen Gießen und Wetzlar gilt als Naherholungsgebiet und so ziehen sich Wanderwege zwischen den Feldern hindurch und durch die Wälder. Alle paar Kilometer gibt es Stellplätze für Pkw, an diesem gibt es auch noch einen Spielplatz. Vorsichtig fährt Tobias Müller zwischen den Bäumen hindurch in die Nähe einiger Spielgeräte. An einem der Hubarme des Schleppers befindet sich eine Arbeitsbühne, in die Mitarbeiter Andreas Ebertz steigt.


Standsicherheit
Während er die Bühne hochfährt und an einen Ast steuert, steigt Tobias Müller aus und zeigt auf die ausgefahrenen Stützen, die Ladeschaufel am Heck und die Greifzange am Frontarm: „Hier ist es flach, da muss ich mich eigentlich nicht extra abstützen. Aber an Hängen kann ich mir mit den anderen Anbaugeräten zusätzliche Standsicherheit verschaffen.“ Andreas Ebertz schneidet mit der Motorsäge Äste ab und fährt wieder runter. Mit der Greifzange sind die Äste schnell gepackt und auf einen Haufen gestapelt. „Dicke Äste oder Spitzen, die beim Herabstürzen jemanden gefährden, können auch mit der Zange gehalten und dann vorsichtig abgelegt werden. So haben wir vor ein paar Wochen auch eine Pappel an einer Straße herunter gestückelt“, erzählt Tobias Müller: „Und das mit nur einer Maschine.“ Geländegängiger als die meisten anderen Arbeitsbühnen sei der Schlepper eh. Bis zu 20 m hoch reicht der Lift in der großen Version, bei der kleinen 14 m.

 

Pflege und Instandsetzung von Spitzgraben. (Bild: Müller)

Auftragsakquise per Zufall
An einige Aufträge, die so in den letzten Wochen zusammen kamen, hatte Tobias Müller gar nicht gedacht, als er den 1260B im November von econTech anmietete. Per Mund-zu-Mund-Propaganda machte die Kunde von seinem Spezialgerät die Runde von Förstern zu Jägern, zu Mitarbeitern von Bauhöfen und den Gemeinden. Extra Werbung machen musste er bisher gar nicht, eher plant er jeden Einsatz mit viel mehr Zeit ein, als eigentlich benötigt wird. Wenn der Huddig erst im Einsatz ist, fällt den Kunden und ihren Nachbarn oft noch mehr ein, was damit gleich gemacht werden könnte. Durch das Schnellwechselsystem wechselt er innerhalb von Minuten zwischen Greifzange, Baggerschaufel, Mulcher und Grabenlöffel. So kann es kommen, dass er nach der Gewässerpflege am Ortsrand auch gleich die Bäume auf der anderen Grabenseite an der Rückseite von Häusern stutzt oder fällt. Oder tief über einem Bach hängende Äste von der Wasserseite aus wegschneidet - ohne dass das Holz ins Wasser fällt oder irgendjemand sich kompliziert abseilen müsste. Durch Rototilt arbeitet er immer im passenden Winkel. Für zentimetergenaues Arbeiten wird per Funkfernbedienung gesteuert.


 

 

Tobias Müller nutzt die Möglichkeit der Steuerung per Funkbedienung häufig. Hier räumt er einen Durchlass im Graben frei.

Freude an der Arbeit
Die Begeisterung, mit der der Unternehmer das Können seiner Maschine demonstriert, ist kaum anders als die eines Jungen, der sein neues ferngesteuertes Modellauto ausfährt. Freude an der Arbeit und ein gutes Auskommen untereinander ist ihm wichtig. Davon berichtet auch Andreas Ebertz: „Bis zum Herbst letzten Jahres habe ich fünf Jahre auf dem Bau geschuftet, aber das war nur Stress. Dass es zu Hause auch noch Familie gibt, hat dort keinen interessiert. Jetzt kann ich in der Not meine Arbeitszeit auch mal anpassen.“ Vor einigen Jahren hatte der gelernte Bauschreiner im Forst als Rücker gearbeitet, das kam ihm zugute, als er bei Müller nach einer Stelle fragte. Am häufigsten ist er daher mit dem Pfanzelt Pm-Truck unterwegs. „Früher wollte ich nie glauben, wenn es hieß ‚Einmal Forst, immer Forst‘. Aber irgendwie stimmt es“, resümiert er.

Durch die Geländegängigkeit ist der 1260B oft im Einsatz für Jäger.

Freund der Jäger
Für das Freischneiden von Schussschneisen ist der Huddig 1260B auch schon von Jägern angefragt worden: „Und wenn man schon Mal da ist, können auch gleich neue Sitze aufgerichtet werden, Dächer von bestehenden Kanzeln von der Arbeitsbühne aus repariert oder entastet werden und so weiter“, erzählt Tobias Müller. Eine Jagdgenossenschaft der Region hat vor kurzen bei ihren Mitgliedern Wildäcker anlegen lassen, bei kaum einem ist es beim Mulchen der Fläche geblieben.
Während Andreas Ebertz sich am Dach einer Jagdkanzel zu schaffen macht, deutet Tobias Müller auf eine Stromleitungstrasse, die den Hügel hinab zum Ort führt: „Das Folgemodell 1260C gibt es auch zum Arbeiten unter Spannung, damit können auch Leitungen einfacher frei geschnitten werden.“

 

Mulchen an Böschungen. (Bild: Müller)

Entwicklung in Deutschland
Wer sich in den Huddig Blog von econTech Mitarbeiter Florian Borst klickt, findet neben Einsatz- und Messebildern auch einge-scannte Bilder aus schwedischen Kinderbüchern. In seiner Heimat ist der Anblick des schwarz-roten Schleppers auch außerhalb des Forstes nichts Ungewöhnliches. In Deutschland ist er noch ein Exot, der sich nur langsam in die Aufmerksamkeit von Unternehmern drängt. Durch sein nicht klar definiertes Einsatzfeld spricht er stark spezialisierte Unternehmer kaum an. „Die investieren entsprechend lieber in große Maschinen, die in ihr Angebot passen“, vermutet Tobias Müller. Der Schwede sei eher etwas für flexible Nischen-Bediener oder junge Unternehmen, die gerade die erste eigene Maschine anschaffen möchten.
Tobias Müller hat bisher den 1260B gemietet; Kaufverträge dafür liegen ihm schon vor. Aber nur beim Kauf soll es nicht bleiben. Er ist von der Maschine so überzeugt, dass er plant, in den Handel einzusteigen. Noch in diesem Jahr soll es losgehen: „Den richtigen Mitarbeiter dafür habe ich auch schon gefunden. Der spricht nicht nur deutsch und englisch, sondern auch schwedisch. Im Frühsommer fängt er zum Einarbeiten an der Maschine an.“ Gefunden hat er ihn – wie sollte es anders sein – aus Zufall. Irgendjemand hat wem anders etwas erzählt.

 

 

Mit der Hebebühne geht es für Pflegeschnitte auch übers Wasser. (Bild: Müller)

Huddig 1260B
Nach Erlangen der Straßenzulassung in Deutschland kamen die ersten 1260B 2010 in den Einsatz. Durch ein zentrales Pendel-knickgelenk wurden sie als geländegängige Fahrzeuge mit stabilem Fahrverhalten konstruiert. Neben zwei hydraulisch betriebenen Anbaugeräten, die mit bis zu 352 l/min Ölförderstrom versorgt werden, kann ab Werk eine Hubarbeitsbühne mit 14,2 m oder 20,1 m Arbeitshöhe angebaut werden.
Betrieben wird die Maschine von einem Cummins-Motor mit ZF-Hydrostatikgetriebe. Möglich sind Geschwindigkeiten bis zu 40 km/h.

 

 

Gesa Lormis,
Redaktion LOHNUNTERNEHMEN

Erschienen in der LOHNUNTERNEHMEN Mai 2013.

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