Unterwegs in Polen - Teil 1
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Der Klassiker
Von Westen kommend biegen wir kurz vor Poznań (Posen) gen Süden ab Richtung Rydzyna. Dort wollen wir Józef Dworakowski treffen. Er ist Landmaschinenhändler und Lohnunternehmer. Quasi ein Klassiker für Polens Lohnunternehmer-Branche und einer von etwa 100, die als professionell gelten, überregional arbeiten und im polnischen LU-Verband organisiert sind.
Józef –wir einigen uns gegenseitig auf die Vornamen – ist nicht „nur“ Lohnunternehmer, sondern außerdem Landwirt mit 300 ha Land und Wald. Im Hauptjob ist er allerdings Chef des Landmaschinenhandels „Agromix“. Jedenfalls, wenn man den Hauptjob mit dem Hauptumsatz gleichsetzt. Im Ehrenamt ist er noch im Lohnunternehmerverband und im polnischen Landmaschinenverband aktiv. Wer wissen will, wie der Landtechnikmarkt und die Landwirtschaft in Polen funktionieren, der kann von Józef eine Menge erfahren und lernen. Aber dazu später mehr.
Für Józef arbeiten rund 100 Mitarbeiter und im vergangenen Jahr erreichte sein Unternehmen einen Umsatz von rund 40 Mio. €. Er handelt vorrangig mit den Marken Krone, Amazone, Manitou, Trioliet, Tecnoma und Kubota. Für Krone, Manitou und Trioliet hat er den Status des Generalimporteurs. Das heißt, rund um seinen Stammsitz verkauft er direkt an den Landwirt, darüber hinaus landesweit an B-Händler, die auch den Service übernehmen. Krone ist in seinem Unternehmen mit 20 Mio. €/Jahr der Umsatzträger. Im Schnitt verkauft er 1.500 Maschinen im Jahr. 2013 waren dies unter anderem 17 Krone-Häcksler, 380 Krone-Rundballenpressen, 60 Manitou-Teleskoplader, 50 bis 60 Kubota-Traktoren und fast ebenso viele John Deere-Traktoren.

1,9 Mio. € Umsatz im Lohnunternehmen
Sein Lohnunternehmen trägt zum Gesamtumsatz mit rund 6 % bzw. 1,9 Mio. € bei. Józef hat es 1997 gegründet, etwa acht Jahre später als den Landmaschinenhandel. 16 Mitarbeiter sind im Lohnbetrieb tätig, wobei diese Mitarbeiter sowohl in der Werkstatt des Handels als auch im Lohnunternehmen arbeiten. Wichtig ist ihm die Mitarbeiter-Ausbildung, im Handel wie im Lohnunternehmen. Die Lehre läuft im Lohnbetrieb so, dass die jungen Leute erst mal zwei Jahre in die Werkstatt gehen und dann ein Jahr lang auf den Maschinen im Lohnbetrieb arbeiten. Dann seien sie weitgehend fit als Dienstleister, aber auch in der Lage im Werkstattbetrieb des Handels zu arbeiten, meint er. Die Fluktuationsquote in seinem Gesamtteam von 100 Mitarbeitern liegt bei rund 20 %. Dabei passiere der Wechsel meist in den ersten drei Jahren. „Wer die ersten drei Jahre überstanden hat, bleibt auch“, betont er schmunzelnd. In der Mähdrusch- und Häckselsaison kommen zu seinen 16 LU-Mitarbeitern bis zu zehn Saisonkräfte als Fahrer hinzu.
Der Fuhrpark des Lohnunternehmens besteht zur Hautsache aus 20 Mähdreschern, 33 Traktoren, 11 BiG Pack Großballenpressen, sechs Häckslern (BiG X 500 bis 1000) und zwei Tecnoma-Selbstfahrspritzen. Einige der Traktoren werden aber auch vermietet, ergänzt Józef. Von seiner Größe als Lohnunternehmer – meint er nicht ohne Stolz – gebe es in Polen allerhöchstens 20 Lohnbetriebe.
Seine 20 Mähdrescher (John Deere SDS) ernten im Mittel jeweils 650 bis 700 ha/Jahr. Der größte Drescher komme auf 1.000 ha. Trotzdem gehöre der Mähdrusch nicht mehr zu den profitabelsten Arbeiten. Der Arbeitspreis sei mit 250 Zloty/ha plus Diesel, also umgerechnet 59 €/ha, zu niedrig. „Diese Arbeitspreise stehen in keinem Verhältnis zu unseren Kosten und den Neumaschinenpreisen“, schimpft er. Obwohl die Fahrerlöhne dort mit rund 5 €/h brutto vergleichsweise niedrig liegen. Hinzu komme als Ärgernis der Lohnunternehmer die hohe Eigenmechanisierung der Landwirte mit Mähdruschtechnik, hervorgerufen durch die EU-Maschinenförderung. „Die Rentabilität der Mähdrescher beginnt bei uns erst nach vier Jahren, danach fahren wir die Maschinen noch einmal mindestens vier Jahre weiter“, schildert Józef.
Häckseln und Stroh pressen bringe mehr Spaß und Geld, meint er. Insgesamt pressen seine elf Maschinen in guten Jahren 120.000 Quaderballen. Allein für einen Kunden presst er 50.000 Ballen und davon 10.000 Ballen mit Vorbauhäcksler. Dieser Auftraggeber verdient sein Geld, wie viele seiner Press-Kunden mit der Geflügelhaltung. Er berechnet für Großballen mit Vorbauhäcksler 35 Zloty (8,20 €) und für Ballen ohne Vorbauhäcksler 24 Zloty (5,60 €).
In der Gras- und Silomaisernte ist er mit sechs Häckslern unterwegs. Im Gras sind meist zwei Häcksler tätig, im Mais werden alle sechs Maschinen eingesetzt. Drei von ihnen mit kompletter eigener Kette. So kommt jeder Häcksler im Schnitt zusammen auf 650 ha Gras und Mais pro Jahr. Als Arbeitspreis berechnet Józef für Häcksler und Fahrer 330 Zloty/ha (78 €). Wenn die Abfuhr mit zwei Gespannen übernommen wird, erhöht sich der Hektarpreis auf 1.000 Zloty (237 €).

Landflucht trifft auch Lohnunternehmer
Mit den Erntemaschinen sind Józefs Fahrer nicht nur in der Woiwodschaft Wielkopolska, sondern in ganz Polen unterwegs. „Das machen übrigens die meisten professionellen Lohnunternehmer in Polen so“, erklärt er uns. „Viele LU-Kollegen sind zudem nicht selten neben dem Heimatmarkt Polen außerdem in einem der östlichen Nachbarländer im Einsatz. Einige fahren sogar hinaus bis ins Baltikum“. Józefs Kunden im Lohnbetrieb verdienen ihr Geld meist mit Milchvieh. Biogas sei in den Anfängen der 90er Jahre steckengeblieben, meint er. Im Umkreis von 100 km um seinen Standort Rydzyna nahe Posen laufe aktuell nur eine Biogasanlage.
Tagsüber gelangen die Maschinen per Achse von Kunde zu Kunde. Gehts in eine weiter entfernte Region, wird nachts per Lkw transportiert. Südostpolen ist so eine Region, in der zügig von einem zum anderen Kunden per Achse gefahren werden kann. Im Mittel bewirtschaften die Betriebe dort 7-10 ha. Für die rund eine Million Kleinbetriebe dort gibt es seiner Meinung nach keine absehbare politische und wirtschaftliche Lösung der Existenzsicherung, zum Beispiel durch Strukturwandel. Mit der Folge, dass die junge Generation dort von den Höfen abwandert.
Darunter – so vermutet Józef – wird auch sein Unternehmen irgendwann leiden. Nicht heute, aber in einigen Jahren werden die fitten Mitarbeiter fehlen. Das Thema treibt Józef sichtbar um, jedenfalls, wenn er an die Zukunft denkt. Er fürchtet um die Jugend und um die Auszubildenden. Denn die wandern nicht von den Höfen zum Gewerbe, sondern sie zieht es in die großen Städte oder gar Richtung Skandinavien, England oder Deutschland. Er spricht von Millionen meist junger Polen, die bereits in den letzten Jahren ausgewandert seien. Hier sieht er derzeit noch kein Ende der Fahnenstange, besonders mit Blick auf Ost- und Südostpolen, wo viele Kleinbetriebe mit der Landwirtschaft keine Zukunft für die Jugend bieten würden.
Hans-Günter Dörpmund, Redaktion LOHNUNTERNEHMEN
Erschienen in der LOHNUNTERNEHMEN Januar 2015.