Mai 2016: LU Schröder
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Große Motivation ist eine der entscheidenden Triebfedern für engagierte Mitarbeiter. Und diese Motivation entsteht aus viel mehr Aspekten als „nur“ dem Gehalt. Spaß an der Arbeit, guter Teamgeist, Wertschätzung durch die Chefs – die Liste ließe sich fortsetzen und hat besonders in Lohnunternehmen ein großes Gewicht. Schließlich gehört diese Branche im Vergleich zu anderen Gewerken allgemein nicht zu den Spitzenzahlern.
Und doch darf das Thema höherer Gehälter nicht unterschätzt werden. An dieser Stelle mag der eine oder andere Unternehmer denken: „Gern – wenn der Betrieb in der Lage ist, dieses auch zu erwirtschaften.“ Das wiederum legt nahe, ein Bonussystem zu nutzen, welches sich an der Ertragslage orientiert, nach dem Motto: Stimmt der Gewinn, gibt's auch mehr Geld.
Aber das sagt sich einfacher, als es auf den ersten Blick aussieht. Denn auf die Umsatzrendite wirken viele Maßnahmen und Faktoren, die von den Mitarbeitern selbst kaum oder gar nicht beeinflusst werden können. Wird dann das Ertragsziel trotz großer Anstrengungen des Teams nicht erreicht, verwandelt sich ein solches Bonussystem schnell in den sprichwörtlichen Schuss ins Knie. Gleiches gilt auch, wenn die Voraussetzungen eines Prämienkonzepts, auch unabhängig vom Ertragsgedanken, zu kompliziert definiert sind oder zu viele subjektive Bewertungseinflüsse haben.
Motivation durch Bonus
Maximale Transparenz, objektive Maßstäbe und die reelle Chance auf einen Bonus als Zusatzentlohnung waren somit auch im Lohnunternehmen Schröder in Scholen-Blockwinkel bei Diepholz (Niedersachsen) die Eckpunkte bei der Definition eines vor knapp drei Jahren eingeführten Prämiensystems. Das Unternehmen agiert in mehreren Dienstleistungssparten. Dazu gehören landwirtschaftliche Lohnarbeiten, Tiefbau und Abbruch genauso wie Grüngutaufbereitung für Kommunen und Lkw-Transporte. Letztere erstrecken sich auf eine große Bandbreite sehr unterschiedlicher Güter, von Getreide und Zuckerrüben über Grünfutter bis hin zu klassischen Speditionstransporten im Fernverkehr. Nicht zu vergessen sind der eigene landwirtschaftliche Betrieb sowie zwei Biogasanlagen mit zusammen 490 kW Leistung.
Der Anstoß, sich über ein Prämiensystem Gedanken zu machen, kam vor etwa vier Jahren von den Lkw-Fahrern, wie Andrea Goldmann berichtet. Sie leitet das Unternehmen als Geschäftsführerin und hat es vor sechs Jahren von ihren Eltern übernommen. Die ersten Gedanken in Sachen Bonussystem gingen in die Richtung, über die einzelnen Sparten hinweg dem ganzen Schröder-Goldmann-Team einen leistungsabhängigen Lohnanteil zugutekommen zu lassen. „Aber die Art der Arbeiten ist bei uns in den jeweiligen Sparten zu unterschiedlich, um ein einheitliches System zu definieren, das transparent wäre, genügend Anreiz böte und doch den einzelnen Anforderungen gerecht würde“, berichtet sie.
Deshalb habe sie sich entschlossen, zuerst mit der Transportsparte zu beginnen. Hier sind, inklusive drei Auszubildender, 27 der insgesamt 80 Mitarbeiter der Schröder-Unternehmensgruppe tätig. Anders als die Teams in Werkstatt und Lohnunternehmen, die auf Basis von Stundenlöhnen bezahlt werden, erhalten die Kollegen der Spedition ein Festgehalt. Dem Wunsch nach Lohnerhöhung wollte die Chefin durchaus nachkommen, sah aber beim besten Willen angesichts der sehr schmalen Margen im Speditionsgeschäft wenig finanziellen Spielraum dafür, wie sie berichtet. Somit entstand gemeinsam die Idee zu einem Bonussystem.
Eigenverantwortung fördern
Kernaspekt des Prämiensystems war und ist die Senkung der Betriebskosten – was jedoch nicht nur den Dieselverbrauch und den Materialverschleiß beinhaltet, sondern u.a. auch Schäden durch Unachtsamkeit. Als erstes und „klassisches“ Beispiel nennt Andrea Goldmann den Auflieger, der freitags mit defektem Rücklicht auf dem Betriebshof abgestellt wird, ohne dem Werkstattteam Bescheid zu geben. „Das muss gar nicht mal absichtlich geschehen sein. Aber sicher ist, dass der nächste Kollege am darauffolgenden Montagmorgen ein Problem hat, wenn er den Defekt entdeckt und deshalb nicht pünktlich losfahren kann“, so die Unternehmerin.
Abhilfe schafft inzwischen ein so genannter Mängelbogen – übrigens die Idee eines Mitarbeiters. Darauf tragen die Fahrer freitags ein, was am Fahrzeug oder dem Auflieger repariert oder gewartet werden muss, mit entsprechender Priorisierung nach einem vorgegebenen Schema. Auf diese Weise kann das Werkstattteam bei Bedarf zügig tätig werden, weniger Dringliches aber genauso gut etwas später erledigen.
„Indem jeder Fahrer diese Bögen unterschreibt, dokumentiert er den ordnungsgemäßen Zustand des Fahrzeugs – den er hoffentlich zuvor auch kontrolliert hat. Der Effekt ist eine umsichtige Arbeitsweise mit hoher Eigenverantwortung“, freut sich Andrea Goldmann. So sind die Mitarbeiter zum Beispiel mehr als früher dazu übergegangen, beim Rangieren lieber einen Kollegen als Einweiser zu holen, bevor man Gefahr läuft, irgendwo anzuecken und so das Fahrzeug zu beschädigen.
Lohn dieser Sorgfalt ist die sogenannte Schadensfreiheitsprämie in Höhe von 60 € pro Fahrer und Monat. Wenn Schäden selbst verschuldet wurden oder mit mehr Sorgfalt hätten vermieden werden können, erhält der Betreffende diese Prämie einen Monat lang nicht. Dabei gehe es wahrlich nicht darum, irgendjemandem „den Kopf abzureißen“, wie die Unternehmerin hinzufügt. „Aber wir wollen Umsicht und Sorgfalt belohnen – und das gelingt mit der Prämie bestens“, so ihr Fazit dazu.
Telematik-Noten
Noch deutlicher wirkt sich die zweite Prämie aus, die sich die Fahrer verdienen können. Dreh- und Angelpunkt ist hier die Fahrweise – in der durchaus beachtliche Reserven stecken, was die Kosten angeht, wie Andrea Goldmann unterstreicht. Schon allein „Leerlauf im Stand“ des Motors schlägt zu Buche, so die Unternehmerin. „Vor drei Jahren lagen wir diesbezüglich im Schnitt bei 97 l pro Lkw und Monat. Bis heute ist es uns gelungen, diesen Wert auf 82 l zu reduzieren. Das mag vergleichsweise wenig erscheinen, aber über die gesamte Lkw-Flotte mit 24 Fahrzeugen gerechnet, summiert sich das zu beachtlicher Größe“, erklärt sie.
Doch das eigentliche Einsparpotenzial liegt natürlich „laufenden Betrieb“, was in erster Instanz den vorausschauenden Umgang mit Gas- und Bremspedal betrifft. Hierzu bietet das seitens Schröder genutzte Telematiksystem FleetBoard u.a. bei der Verbrauchs- und Verschleißoptimierung eine technische Unterstützung. Das System misst und dokumentiert nach Darstellung von Andrea Goldmann verschiedene Parameter, wie z.B. die Geschwindigkeit, den Kraftstoffverbrauch bei Fahrt bzw. sowie das Bremsverhalten. Auf Basis der vorhandenen Daten errechnet das Programm Noten für den Fahrer, wobei „1“ die schlechteste und „10“ die beste Note ist.
„Die dazu passenden ersten Schulungen überzeugten unser Team durchaus und zeigten rasch erkennbare Effekte im Fahrverhalten. Aber diese Wirkung flachte nach und nach wieder ab, sodass mir klar wurde: Es muss ein begleitendes Konzept her, um kontinuierlich Anreize schaffen. Also entschied ich mich, ähnlich wie bei der Schadensfreiheitsprämie, auch hier zu einer Bonusregelung“, erläutert Andrea Goldmann ihre damalige Einschätzung.
Richtig interpretieren
Sehr wichtig war ihr allerdings, die von der Telematik errechneten Noten nicht einfach in ein Raster zu stecken und darauf aufbauend Boni zu definieren. „Selbst innerhalb unserer Transportsparte gibt es sehr viele Fahrzeugtypen und Einsatzzwecke, vom Hakenlifter über Kipper bis hin zu Sattelaufliegern, von Kurzstrecke im innerörtlichen Verkehr bis hin zur Langstrecke. Das muss detaillierter interpretiert werden, um zu einem fairen Ergebnis für die Mitarbeitern zu kommen. Und das können die allgemeinen Telematiksysteme der Fahrzeughersteller nur begrenzt“, ist die Unternehmerin überzeugt.
Unabdingbar war für sie deshalb, Fahrzeuggruppen zu bilden und innerhalb dessen die jeweils passenden Anforderungen festzulegen. Passend zu dieser Idee entdeckte sie 2012 „fuhrparker.de®“ von Hubertus Lodes, der Schulungskonzepte für eine effektivere Fahrweise, Telematikanalysen, Konfigurationsberatung für Nutzfahrzeuge und ein Prämienlohnsystem anbietet. Letzteres basiert auf den bereits angesprochenen FleetBoard-Daten.
Das von ihm und Andrea Goldmann für das Blockwinkeler Unternehmen entwickelte Konzept sah vier Fahrzeuggruppen vor. Nach gut zwei Jahren Erfahrung im praktischen Einsatz hat sich daran auch nichts geändert – wohl aber die Interpretation der von FleetBoard errechneten Noten. Der Grund dafür liegt auf der Hand, so Andrea Goldmann: „Erstens haben wir unseren Fahrzeugpark weiter verjüngt, was natürlich ganz andere Verbrauchswerte ermöglicht. Und zweitens haben sich die Einsatzwerte durch die deutlich bewusstere Fahrweise der Mitarbeiter deutlich verbessert. Das lässt sich nicht unendlich im gleichen Maß vorantreiben. Trotzdem soll natürlich der finanzielle Anreiz und damit Motivationsgedanke erhalten bleiben.“
Bis zu 150 €/Monat mehr
Entscheidend sei in diesem Zusammenhang nicht allein eine bestimmte Systemnote oder gar ein Einzelwert wie Dieselverbrauch, sondern die Relation zu den jeweiligen Einsatzbedingungen. Hier spielen nicht nur die genannten Gruppen eine Rolle, sondern z.B. auch die Wettersituation, etwa im Winter. „Sicherheit hat für mich immer oberste Priorität, nicht die Wirtschaftlichkeit. Schnee und oder Regenwetter müssen bei einer Beurteilung unbedingt berücksichtigt werden. Aber das ist kein Problem, denn diese Verhältnisse betreffen ja alle Fahrer einer Gruppe im Prinzip gleichermaßen“, mein Andrea Goldmann.
An die Einführungsphase dieses Prämiensystems denkt die Unternehmerin mit etwas gemischten Gefühlen zurück. Die durch das Telematiksystem realisierte, weitreichende Transparenz des jeweiligen Fahrerverhaltens habe an sich schon bei einigen Mitarbeitern für anfängliche Skepsis gesorgt. Mehr noch zeigten sich jedoch Zweifel, ob durch die Erfolgsprämie tatsächlich ein effektives Lohnplus erreichbar wäre. „Aus diesem Grund haben wir in der Anfangsphase viel Zeit investiert, das Konzept zu erläutern und ein halbes Jahr lang wöchentlich die erreichten Werte mit jedem Fahrer einzeln zu besprechen, berichtet die Chefin.
Zu Recht hätten die Kollegen die jeweiligen Noten und damit verbundenen Bonisummen anfangs hinterfragt, wie sie hinzufügt. Und in dem einen oder anderen Fall gab es auch lange Gesichter, wenn die Noten nicht so ausfielen, wie erhofft. Aber bei näherer Betrachtung sei es stets möglich gewesen, die Ursachen zu identifizieren. „Ziel dieses Bonuskonzepts ist es ja, die Mitarbeiter dabei zu unterstützen, ihr Fahrverhalten zu optimieren und dies zu belohnen, und nicht, ihnen Geld vom Lohn abzuziehen. Logischerweise bieten wir dort, wo es mir bzw. dem Fahrer selbst hilfreich erscheint, auch ergänzende Schulungen an. Oder Hubertus Lodes fährt einzelne Touren mit und gibt dabei Tipps zur Optimierung “, schildert Andrea Goldmann.
Inzwischen ist das Konzept eingespielt, bewährt und fest im Team verwurzelt, so ihre Wahrnehmung. Schließlich bewegt sich der „Optimierungsbonus“ je nach Fahrer mittlerweile zwischen 80 und 150 €/Monat, wenn der Mitarbeiter die für seine Gruppe festgelegte Mindestnote erreicht. Ausnahme sind längere Abwesenheitszeiten von sechs Tagen oder mehr, etwa bei Urlaub oder Krankheit. Dann wird für diesen Monat keine Prämie überwiesen.
Ziel erreicht
Auch die anfängliche Sorge vor zu viel Transparenz sei inzwischen im Team nicht mehr vorhanden. So habe sich der Abstimmungsbedarf und somit die Zahl der Telefonate zwischen Disponenten und Fahrer seit Einführung von FleetBoard drastisch verringert, weil dank der Technik jetzt Positionsbestimmungen und Planung von Zeitfenstern viel reibungsloser laufen, wie Andrea Goldmann zufrieden feststellt. „Das sorgt für mehr Ruhe an Bord. Und auch die Pausenzeiten werden strikter eingehalten, seit wir sie direkt vom Büro aus nachvollziehen können. Schließlich habe ich als Unternehmerin eine ganz klare Fürsorgepflicht, die mir sehr wichtig ist.“
Nicht konkret messbar, aber für sie zweifelsfrei ist zudem, dass dank des jetzt durchgehend praktizierten, vorausschauenden Fahrens das Risiko von Unfällen deutlich gesunken ist. Eine generelle Kosten-Nutzen-Rechnung des Prämienlohnsystems hat sie allerdings noch nicht aufgestellt. Denn der anfängliche Aufwand für Gespräche, Technik und Schulungen sei schließlich nicht dauerhaft zu erwarten. Sicher sei jedoch, dass der Dieselverbrauch seit 2012 in der Lkw-Flotte des Blockwinkeler Unternehmens im Schnitt um 2 l/100 km gesunken ist. Bei einer Fahrleistung aller Lkw von zusammen rund 160.000 km pro Monat „läppert“ sich dies zu einer erklecklichen Summe.
Auch der Wartungs- und Reparaturaufwand bei Verschleißteilen wie Bremsen oder Reifen liegt erkennbar niedriger, was sich über alle Fahrzeuge hinweg schon finanziell positiv bemerkbar macht. „Für mich steht jetzt schon fest, dass sich die Bonusidee für alle Beteiligten auszahlt und bewährt. Das gilt unmittelbar finanziell, aber auch in vielen Aspekten, die man nicht in Cent und Euro bewerten kann. Und doch sind sie wichtig“, meint die Unternehmerin abschließend.
Jens Noordhof,
Redaktion Lohnunternehmen
Erschienen in der LOHNUNTERNEHMEN April 2015.