Corona: Keine fristgemäße Vertragserfüllung – Schadensersatz?

Was passiert, wenn ein Auftrag aufgrund von Corona im Betrieb nicht fristgerecht ausgeführt werden kann, erklärt Dipl.-Verwaltungswirt Hans Schaller.
(Fotos: Schmatzler, Lützen)

Bei einer nicht fristgemäßen Vertragserfüllung aufgrund der Corona-Pandemie ist es für den Unternehmer bei einem eventuellen Schadensersatzanspruchs des Auftraggebers von Bedeutung, ob die nicht termingerechte Erledigung (so genannte „Vertragsstörung“) auf höhere Gewalt zurück zu führen ist. Soweit es sich um private Aufträge handelt, richtet sich die Abwicklung nach dem Zivilrecht bzw. – wenn vorhanden – nach den AGB des Unternehmers, bei öffentlichen Aufträgen nach § 5 VOL/B der Allgemeinen Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen (VOL, Teil B), den „AGB“ der öffentlichen Hand.

Nicht Behauptung, sondern Nachweis der höheren Gewalt
Die Corona-Pandemie ist grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der höheren Gewalt im Sinne auszulösen. Höhere Gewalt ist danach ein unvorhersehbares, von außen einwirkendes Ereignis, das auch durch äußerste, nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt wirtschaftlich vertretbar nicht abgewendet werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit hinzunehmen ist.

Allerdings muss das Vorliegen der höheren Gewalt auch in der jetzigen Ausnahmesituation im Einzelfall nachgewiesen werden. Derjenige, der sich darauf beruft, muss die höhere Gewalt begründenden Umstände darlegen und ggf. beweisen. Pauschale Hinweise auf „Corona“ reichen nicht.
Beruft sich der Unternehmer auf höhere Gewalt, muss er darlegen, warum er seine Leistung nicht fristgemäß erbringen kann (konnte). Das kann z.B. der Fall sein, weil

  • ein Großteil der Beschäftigten behördenseitig unter Quarantäne gestellt war und der Auftragnehmer auf dem Arbeitsmarkt oder durch Nachunternehmer keinen Ersatz finden könnte,
  • die Beschäftigten des Auftragnehmers aufgrund von Reisebeschränkungen den Ort der Leistungserbringung nicht erreichen konnten und kein Ersatz möglich war,
  • der Auftragnehmer für die Leistungserbringung notwendige Materialien nicht beschaffen konnte.

Der bloße Hinweis auf die Corona-Pandemie und eine rein vorsorgliche Arbeitseinstellung erfüllt beispielsweise den Tatbestand der höheren Gewalt nicht. Dies gilt insbesondere, falls der Unternehmer schon bei der bisherigen Leistungserbringung Schwierigkeiten hatte und sich nun auf die Corona-Pandemie beruft.

Der bloße Hinweis auf die Corona-Pandemie und eine rein vorsorgliche Arbeitseinstellung erfüllt beispielsweise den Tatbestand der höheren Gewalt nicht.

Auch beim Auftraggeber kann höhere Gewalt vorliegen
Höhere Gewalt kann auch auf Seiten des Auftraggebers eintreten, beispielsweise, weil die Projektleitung unter Quarantäne gestellt wurde. Dabei wäre dann – entsprechend der an die Auftragnehmer gestellten Anforderungen und nach denselben Maßstäben – z.B. zu dokumentieren, dass und warum die Projektleitung nicht  beispielsweise aus dem Homeoffice erfolgen bzw. warum keine Vertretung organisiert werden kann.

Höheren Gewalt: Keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche
Wird höhere Gewalt im Einzelfall als „Behinderung“ anerkannt, verlängern sich Ausführungsfristen automatisch um die Dauer der Behinderung (Für öffentliche Aufträge: § 5 Nr. 2 (1) VOL/B). Beruft sich der Auftragnehmer zu recht auf höhere Gewalt, entstehen bei deswegen verursachen Vertragsstörungen keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche.
Bei nachgewiesener höherer Gewalt gerät auch der Auftraggeber nicht in Annahmeverzug; die Voraussetzungen des § 642 BGB liegen nicht vor. Das gilt insbesondere auch für Fallkonstellationen, in denen eine Vorleistung aufgrund höherer Gewalt nicht rechtzeitig erbracht werden kann und nun der nachfolgende Auftragnehmer deswegen Ansprüche wegen Behinderung gegen den Auftraggeber erhebt.

Dipl.-Verwaltungswirt Hans Schaller

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