Tiefgreifender Wandel in den Niederlanden

Die Niederlande planen eine Begrenzung der N-Emissionen. Was bedeutet das? Wir haben Dammie van der Poel gefragt vom Lohnunternehmerverband Cumela.
Dammie van der Poel, Foto: Cumela

Worum handelt es sich bei den verschärften Vorgaben der niederländischen Regierung bezüglich Stickstoff-Emissionen in die Luft, die die Landwirte und Lohnunternehmer zu massiven Protesten treiben?

Der niederländische Beitrag zum europäischen Naturschutzgebiete-Netz, auch bekannt unter „Natura 2000", umfasst 162 Gebiete. Hierzulande wird angestrebt, in diesen Schutzgebieten die Stickstoffemissionen bis 2030 zu halbieren. Da ein großer Teil des Ammoniak aus der Landwirtschaft stammt, soll und muss diese auch einen entsprechend großen Beitrag leisten. Bei Stickstoffoxiden (NOx) werden allerdings auch die Industrie und z. B. der Straßenverkehr berücksichtigt. Für die Landwirtschaft bedeutet dies, dass oft von einer Halbierung der Zahl der Tiere gesprochen wird. Die Landwirtschaft selbst sucht nach alternativen Möglichkeiten, wie z.B. dem Einsatz von Luftfiltern in Schweine- und Geflügelställen und anderen Techniken bei der Ausbringung von organischem Dünger.

Um die Stickstoffablagerungen in sensiblen Naturgebieten rasch zu reduzieren, ist die Abschaffung der sogenannten „Spitzen-Belaster“ im Gespräch. Dabei handelt sich um landwirtschaftliche Betriebe in der Nähe dieser Schutzgebiete, die viel Stickstoff ausstoßen. In den meisten Fällen sind dies Höfe, es können aber auch andere Unternehmen sein. So gehört z.B. Rockwool, ein Hersteller von Steinwolle und anderen Produkten, wahrscheinlich ebenfalls zu besagten Hauptverursachern. Die Übernahme dieses Unternehmens wäre ein sehr kostspieliges Unterfangen, das zu Lasten vieler Arbeitsplätze gehen würde.

Was sind die Folgen für die Landwirtschaft, wenn diese Forderungen umgesetzt werden?

Kurzfristig besteht für 150 bis 200 landwirtschaftlichen Betriebe die Gefahr, dass sie umgesiedelt oder komplett geschlossen werden müssen. Dafür steht bereits eine Menge Geld zur Verfügung. Insgesamt beläuft sich der Betrag für alle Stickstoffmaßnahmen auf über 24 Mrd. €. Bauernhöfe, die aufhören und nicht umziehen, dürfen wahrscheinlich ihr Land und ihre Gebäude behalten und eine andere Verwendung dafür finden. Auf den Flächen wird wahrscheinlich nur eine sehr extensive Landwirtschaft möglich sein. Unternehmen können sich auch in Gebieten in den Niederlanden ansiedeln, in denen es wenig sensible Natur gibt. Dies sind insbesondere die Provinzen Flevoland, Friesland und Groningen. Allerdings müssen sie dort erst einen anderen Betrieb übernehmen, um starten zu dürfen.

Bis 2030 müssen auch andere landwirtschaftliche Betriebe zur Verringerung der Stickstoffemissionen beitragen. Dies kann durch die Renovierung von Ställen und die damit verbundene Reduzierung von Emissionen geschehen. Darüber hinaus wird erwartet, dass der Viehbestand aufgrund der Marktbedingungen schrumpfen wird. Gegenwärtig ist beispielsweise die Zahl der gehaltenen Schweine aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Ergebnisse bereits stark rückläufig. In der Milchviehhaltung werden auch neue Techniken, wie z.B. Lely Sphere geprüft, bei der Gülle direkt speriert und zu Düngerersatz verarbeitet wird. Andere Möglichkeiten sind die Anpassung der Ration, damit der Stickstoff im Futter besser verwertet wird.

Und was bedeutet das für die niederländischen Lohnunternehmer?

Insbesondere für sie sind die Zeiten sehr unsicher. Es ist völlig unklar, wohin die Maßnahmen demnächst führen, wenn die Landwirte wirklich gezwungen werden, ihre Tierhaltung oder sogar ganze Betriebe einzustellen. Dann werden wir Kunden verlieren. Auch der Wegfall der Ausnahmeregelungen, die Unklarheit über die neue Gemeinsame Agrarpolitik und die drohende Krise aufgrund der hohen Inflation sorgen derzeit für große Unsicherheit.

Einige Unternehmen zögern daher sehr, in neue Maschinen zu investieren, weil sie nicht wissen, ob es dafür noch genügend Kunden und damit Auslastung geben wird. Wir sehen auch, dass mehrere Lohnunternehmen beschließen, landwirtschaftliche Dienstleistungen aufzugeben und andere Dienstleistungsbereiche zu erschließen, etwa im Bausektor, weil der Umsatz dort viel stabiler ist. Außerdem sehen sich die Lohnunternehmen zunehmend mit Personalengpässen konfrontiert. Die Arbeitnehmer sind immer weniger bereit, Überstunden zu machen oder abends, nachts und am Wochenende zu arbeiten. Dabei spielt auch die geringe Wertschätzung der Landwirte für die Arbeit der Lohnunternehmer eine Rolle.

Auf der anderen Seite sehen wir aber ebenso, dass sich die Lohnbetriebe auch anderen Arbeiten zuwenden. So wird beispielsweise ein Teil der freigegebenen Flächen in Natur umgewandelt und muss landschaftlich gestaltet und anschließend gepflegt werden. Hierfür sind oft andere Maschinen erforderlich, da insbesondere Grünlandflächen eher als Sumpf oder Feuchtwiese angelegt werden. Dort besteht ein Bedarf an kleinen und leichten Maschinen. Wir sehen also, dass die Lohnunternehmen über neue Einkommensmodelle nachdenken müssen. Als Verband Cumela wollen wir unsere Mitglieder bei diesem Prozess unterstützen.

Außerdem sehen sich die Lohnunternehmen gerade im Bereich Erd- und Tiefbau mit einem beschleunigten Rückgang der Nutzung fossiler Brennstoffe konfrontiert. Die Regierung hat einen Zeitplan aufgestellt, wonach bereits im Jahr 2030 ein großer Teil der Arbeit mit elektrischen Maschinen erfolgen muss. Dies hat große Auswirkungen auf die Betriebe, da diese Maschinen derzeit kaum verfügbar sind. Außerdem muss in den kommenden Jahren viel Geld für Investitionen in diese viel teureren Maschinen aufgebracht werden. Als Verband sind wir darüber sehr besorgt, weil wir den Eindruck haben, dass sich die Industrie, von der wir abhängig sind, immer noch kaum mit diesem Thema beschäftigt.

Die Fragen stellte Jens Noordhof, Redaktion LOHNUNTERNEHMEN