Mais wird’s richten müssen

Weniger Wintergetreide und Ausfälle durch Wasserschäden steigern den Saatgutbedarf für Sommerungen. Wahrscheinlich wird Mais hier die Nase vorn haben.
Ob Sommergetreide und Leguminosen in den kommenden Wochen gesät werden können, hängt stark von der Witterungsentwicklung und der Bodenbefahrbarkeit ab. (Foto: Archiv)

Zu diesem Thema stellte Jens Noordhof, Redaktion LOHNUNTERNEHMEN, drei Fragen an Christian Hesse, Agravis-Spartenleiter Saatgetreide & Leguminosen.

In welchem Umfang sind nach Ihrer Einschätzung in Norddeutschland aufgrund der Hochwasser- und Niederschlagsintensität Ausfälle bei Wintergetreide, Raps und auf Grünland zu erwarten?

Hinsichtlich des Wintergetreides, das durch anhaltende Niederschläge im Spätherbst nicht zur Aussaat gekommen ist, gibt es bereits aktuelle Erhebungen des Statistischen Bundesamtes. Sie zeigen, dass im Herbst 2023 deutschlandweit 3,9 % bzw. etwa 200.000 ha weniger Wintergetreide gesät worden sind. Innerhalb der Getreidearten verzeichnen Winterweizen und Winterroggen die stärksten Rückgänge im Vergleich zum Vorjahr. In Summe sind 7,3 % oder ca. 175.000 ha weniger Winterweizen zur Aussaat gekommen. Besonders betroffen davon sind die Bundesländer Schleswig-Holstein mit minus 20,9 %, was rund 31.000 ha entspricht, und Niedersachsen mit minus 16,6 % bzw. 50.000 ha. Beim Winterroggen sind die Schwerpunkte in Niedersachsen mit minus 10,7 % bzw. 16.000 ha) und Sachsen-Anhalt mit minus 13,3 %, was ungefähr 8.700 ha entspricht. (Quelle: destatis).

Christian Hesse ist Spartenleiter Saatgetreide & Leguminosen bei der Agravis Raiffeisen AG. (Foto: Werksbild)

Der Raps hat es von allen Winterungen am besten getroffen. Gute Aussaatbedingungen und der trockene September ermöglichten einen guten Start. Der feuchte Herbst und die Überflutungen im Winter werden hier und da Umbrüche hervorbringen. Der Umbruch wird sich aber im unteren einstelligen Bereich einpendeln. Denn in der vergangenen Woche konnte sogar auf Flächen nach 14-tägiger Überflutung Wurzelneubildung beobachtet werden.

Auf dem Grünland sind bedingt durch das standortspezifische Ausmaß an Staunässe Ertragsverluste von 10 % bis 20 % möglich.

Welche Flächen darüber hinaus durch Wurzelschädigung in Folge von Staunässe und Überschwemmungen, aber auch durch Kahlfröste noch verloren gehen werden, wird sich im Lauf der kommenden Wochen herauskristallisieren.

Als Folge dessen werden auf Ackerflächen Neuansaaten erforderlich sein. Welche Ackerfrüchte werden dazu bevorzugt von Landwirten und Lohnunternehmern nachgefragt? Und lässt die Nachfrage nach entsprechendem Saatgut schon Einschätzungen zu, in welcher Gewichtung?

Vor dem Hintergrund, dass nicht alle Flächen, auf denen Wintergetreide geplant war, auch tatsächlich bestellt werden konnten, und in Kombination mit den Verlusten durch Überschwemmungen ist mit einem höheren Bedarf an Saatgut für Sommerungen zu rechnen. Als Alternative kommen auf den Ackerstandorten dann insbesondere Sommersaatgetreide, Mais und Leguminosen in Frage. Hinsichtlich der Anbaubedeutung dieser Arten in 2024 wird die Befahrbarkeit der Flächen im Frühjahr die entscheidende Rolle spielen. Aktuell stellen wir vor allem im Bereich des Sommersaatgetreides eine größere Nachfrage nach Sommergerste und Sommerweizen fest. Besonders die Sommergerste kann auch hier im späten Frühjahr mit ihrer kurzen Vegetationszeit die Alternative auf langsam abtrocknenden Standorten sein. Aufgrund des späteren Aussaattermins ist Mais die Alternative unter nasseren Frühjahrsbedingungen. Mit Blick auf die geforderte Anbaudiversifizierung kann auf Mischungen zurückgegriffen werden, z.B. Mais mit Stangenbohne. Für die Leguminosen und speziell die Ackerbohne müssen jetzt im Februar die Böden befahrbar sein. Im Vergleich dazu können weiße Lupine und Körnererbse auch noch bis Mitte April gedrillt werden.

Wie ist derzeit die Verfügbarkeit des entsprechenden Saatguts für Acker-Sommerungen, aber ebenso für Grasneu-/nachsaaten?

Es lässt sich festhalten, dass es im Verhältnis zum Wintergetreide in Deutschland eine deutlich geringere Vermehrungsfläche für Sommersaatgetreide gibt. Hinzu kommt, dass das Ernteniveau bei Sommersaatgetreide zur Ernte 2023 in Summe hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist und darüber hinaus häufig die erforderlichen Qualitäten nicht immer erreicht wurden. Bei steigender Bedarfsmenge und in Anbetracht des beschriebenen Ernte- bzw. Qualitätsniveaus ist von einer knapperen Verfügbarkeit als in den Vorjahren auszugehen. Dies trifft auf einen deutlich erhöhten Bedarf in Folge der meteorologischen Ereignisse der vergangenen Monate.

Dahingegen kann die Verfügbarkeit von Maissaatgut nach heutigem Stand als gesichert betrachtet werden, gleiches gilt bei Gräsermischungen für das Dauergrünland. Etwas enger hingegen könnte sich die Versorgung bei Gräsermischungen für den Ackerfutterbau darstellen.