LU Thomsen: Wind, Wetter, Wirkstoffverlust

Immer noch aktuell: Der Pflanzenschutz beim Lohnunternehmen Thomsen ist unter den rauen Bedingungen der Küstenlandschaft im äußersten Norden Schleswig-Holsteins anspruchsvoll. Nicht zuletzt durch Herbizidresistenzen.
Bernd Hansen ist der Pflanzenschutz-Spezialist im LU Thomsen.

Die Resistenzen von Ungräsern und Unkräutern gegenüber Herbiziden nehmen in Norddeutschland dramatisch zu. Den aktuellen Stand in Niedersachsen und mögliche Gegenmaßnahmen schildert Dr. Dirk Wolber, Leiter der Herbologie im Pflanzenschutzamt Hannover der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in der Märzausgabe der Zeitschrift LOHNUNTERNEHMEN.

Bernd Hansen ist der Pflanzenschutz-Spezialist im Lohnunternehmen Thomsen und damit zuständig für die Planung, die Mittelwahl und Zuteilung der Arbeiten an die Fahrer. Die Praktische Arbeit auf der Spritze macht er nicht selbst, denn das wäre zusätzlich nicht leistbar: „Wir beschäftigen einen Fahrer, der hauptsächlich mit der Spritze fährt und einen weiteren, der einspringt, wenn es brennt und mehrere Kulturen gleichzeitig anstehen. Auf unsere Pflanzenschutzfahrer muss ich mich voll verlassen können. Die machen in der Saison kaum etwas anderes.“ Bernd Hansen ist neben der Planung des Pflanzenschutzes im Lohnunternehmen beratend tätig. Er ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann und hat knapp 20 Jahre vor Ort bei einem großen Landhandel gearbeitet. „In dieser Zeit habe ich mich viel mit Pflanzenschutz beschäftigt“, sagt er und kennt daher das Beratungsgeschäft: „Das hilft mir bei meiner jetzigen Arbeit, denn ich weiß, dass man dem Kunden nicht seine Eigenständigkeit nehmen darf, er sich auf der anderen Seite aber auf meinen Rat verlässt. Außerdem stehe ich am Ende für die Beratung und die Umsetzung gerade. Das ist manchmal nicht einfach, wenn eine Entscheidung nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt hat. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Herbizidresistenzen wird das leider eher häufiger.“

Mit dem Selbstfahrer können wir aufgrund der Überfahrhöhe sowohl im Raps, als auch im Mais noch später durch die Bestände fahren.

Trotz Behandlungen im Frühjahr und Herbst nehmen die Probleme mit Fuchsschwanz zu. Auf einigen Flächen wurde nachgewiesen, dass Resistenzen gegen die gängigen Mittel gebildet wurden.

Unterschiedlichste Bedingungen

Im zeitigen Frühjahr fährt der Berater zu den Kunden und spricht mit ihnen über die jeweilige Anbau- und Pflanzenschutzplanung: „Wir haben als Dienstleister meist eine gute Grundlage für die weitere Planung, weil wir die Flächen schon im Herbst behandelt haben.“ Für den erfahrenen Pflanzenschützer spielt neben dem chemischen Pflanzenschutz auch die Sortenwahl eine wichtige Rolle: „Ich bespreche mit unseren Kunden ganzheitlich die Vorgehensweise für die jeweilige Kultur.“ Pflanzenschutz-Kunden des Lohnunternehmens sind dabei überwiegend Milchviehbetriebe. Die Herausforderungen sind vielfältig: „Wir haben hier ganz verschiedene Böden, von junger und alter Marsch, über Moorböden und Sandböden bis hin zu sehr tonreichen Böden. Auf diese Gegebenheiten muss man dann jeweils eingehen. Es gibt manchmal auch Änderungen der Flächenzuschnitte, oder Flächen, die hinzukommen.“ Den Überblick behält Bernd Hansen über die Ackerschlagkartei und das System Agrarmonitor von Betriko. Alle Änderungen werden dort entsprechend eingepflegt. „Die Kartei muss jedes Frühjahr auf einen aktuellen Stand gebracht werden, daher muss ich mit allen Kunden in Kontakt sein, um überhaupt entsprechend den Jahresverlauf planen zu können“, erklärt er, und weiter: „Außerdem muss ich laufend informiert sein, was Zulassungen, neue Mittel, Wirkstoffe und die Verfügbarkeit von bestimmten Produkten angeht. Die Pflanzenschutzmittel wähle ich dann aus und übernehme den Einkauf, allerdings meist in Abstimmung mit dem Kunden.“

Der Einzugsbereich für die Pflanzenschutzdienstleistung ist durch eine nicht änderbare Tatsache begrenzt: das Meer. „Im Pflanzenschutz fahren wir bis an den Nordsee-Außendeich und ansonsten etwa in einem Umkreis von 50 km, unter anderem auch nach Dänemark.“ Damit werde im Pflanzenschutz deutlich weiter gefahren als für andere Dienstleistungen, dies sei vor allem der Technik geschuldet, sagt Bernd Hansen: „Mit dem Selbstfahrer können wir aufgrund der Überfahrhöhe sowohl im Raps, als auch im Mais noch später durch die Bestände fahren. Das ist ein großer Vorteil, weil deutlich weniger Kulturschäden, beispielsweise bei der Blütenspritzung entstehen.“ Das sei neben der Schlagkraft eines der Hauptargumente für die Investition in einen Selbstfahrer gewesen, in der Abrechnung würden aber die gezogene Spritze und der Selbstfahrer dieselben Preise für den Kunden geltend gemacht, so Bernd Hansen.

Eine große Herausforderung für den Pflanzenschutzeinsatz in der Küstenregion des nördlichen Schleswig-Holsteins sei außerdem das Wetter: „Wir haben häufig Regen und fast immer Wind. Dadurch werden die Einsatzfenster teils sehr klein. Wenn es halbwegs windstill ist, müssen unsere Fahrer direkt mit der Arbeit beginnen“, so der Pflanzenschutz-Koordinator. Gerade im Frühjahr 2015 wären diese Bedingungen extrem gewesen.

Noch bevor der Weizen reif ist, samt der Fuchsschanz schon wieder aus.

Pilzdruck wieder hoch

Außerdem sei nach dem milden Winter das Wintergetreide sehr weit entwickelt und der Pilzdruck wieder hoch gewesen: „Das war im letzten Jahr auch schon der Fall. Daher haben wir frühzeitig eine zusätzliche, dritte Fungizid-Maßnahme gefahren, auch wenn wir in einem normalen Jahr mit zwei Maßnahmen bis zur Ähre auskommen.“ Zusätzlich sind in den letzten Jahren wieder Pilzkrankheiten aufgetaucht, die im Grunde für 15 oder 20 Jahre von der Bildfläche verschwunden waren, wie zum Beispiel Gelbrost vor allem in der Triticale. Der Schwerpunkt der Behandlungen liege bei Mais, Weizen und Roggen, gefolgt von Sommerungen und Raps: „Raps wurde in diesem Jahr weniger angebaut als sonst. Dies lag am hohen Rapsanteil des letzten Jahres.“ Raps werde üblicherweise alle drei Jahre angebaut. Der Einsatz von Fungiziden im Mais sei bisher nur in Dänemark ein Thema: „In Deutschland sind wir nach wie vor auf den Warndienstaufruf angewiesen.“ Im Mais ist auch der Insektizideinsatz bisher noch kein Thema: „Wir erwarten zwar, dass der Zünsler in den nächsten Jahren auch bei uns ankommt, bisher ist das aber nicht der Fall. Bisher haben wir noch keine Behandlung durchgeführt und auch die Stoppelbearbeitung ist in der Region noch kein Standard. Dies wird auch schwierig werden, da zu dem Zeitpunkt nach der Maisernte die Böden meist nicht mehr tragfähig sind.“

Die hohe Schlagkraft war ausschlaggebend, um in einen Selbstfahrer zu investieren.

Das Pflanzenschutzjahr beginnt für das Lohnunternehmen Thomsen Anfang März mit dem Ausbringen von NTS-Flüssigdünger auf Getreide. Gesetzlich vorgegeben sei dann die Herbizidmaßnahme mit Atlantis gegen Fuchsschwanz Mitte März. Dann folge drei bis vier Wochen später die erste Verkürzung im Getreide, nach weiteren drei Wochen die erste Fungizidmaßnahme. Bis Ende Mai sind diese Maßnahmen beendet, beschreibt Bernd Hansen: „Bei allen diesen Terminen spielt natürlich immer das Wetter die entscheidende Rolle. Die Ährenbehandlung war dieses Jahr beispielsweise etwas später, weil vorher aufgrund der Kälte kaum ein Wachstum zu verzeichnen war. Auch beim Pilzdruck muss entsprechend schnell reagiert werden. Dieser ist extrem wetterabhängig. Ein Beispiel ist hier etwa Septoria tritcii, da muss man insbesondere bei längeren Regenfällen die Flächen im Blick haben.“

Resistenter Fuchsschwanz

Fuchsschwanz werde sowohl im Herbst als auch im Frühjahr behandelt, trotzdem nähmen die Probleme mit Resistenzen zu: „Einige Flächen haben wir beproben lassen. Atlantis weist dort deutlich geringere Wirkungsgrade auf. Daher wird teilweise dazu übergegangen, Sommerungen anzubauen oder zumindest später zu drillen. Das ist jedoch aufgrund der Minutenböden schwierig. Zum Teil wird auch gepflügt und vorgekreiselt, dann der auflaufende Fuchsschwanz mit Glyphosat abgetötet und im Anschluss das Getreide eingeschlitzt. Die Maßnahmen finden möglichst statt, ohne den Boden weiter zu bewegen, da sonst der Bodensamenvorrat von Fuchsschwanz wieder keimen würde. Bei einer zu späten Behandlung des Fuchsschwanzes stirbt dieser nicht vollständig ab und wächst nach einer gewissen Zeit wieder aus. Daher muss im Frühjahr zeitig behandelt werden, solange die Pflanzen noch klein genug sind.

2015 kaum Insektizide eingesetzt

Eine weitere Besonderheit des Jahres 2015 sei der geringe Schädlingsdruck gewesen: „Wir haben schon im vorangegangenen Herbst fast ohne Insektizideinsatz gearbeitet, da wir von der Witterung verschont geblieben sind. Allerdings gab es viele Blattläuse.“ Die Auswirkungen waren dann erst im Frühjahr zu sehen: „Der von den Läusen übertragene Verzwergungsvirus war insbesondere dort zu sehen, wo weniger Wind war und sich die Läuse besser halten konnten, sowie auf früh gedrillten Getreideflächen. Beispielsweise an Heckensäumen. Die Läuse haben durch die verschiedenen Kulturen immer eine Brücke, Springen vom Getreide in den Mais und dann wieder ins Wintergetreide des nächsten Jahres. Dadurch gibt es keine Unterbrechung vor allem in milden Wintern. Entsprechend hoch ist die Vermehrung“, beschriebt Bernd Hansen und weiter: „Im Raps wird der Glanzkäfer manches Mal zum Problem, er war in diesem Frühjahr aber nicht in bekämpfungswürdiger Anzahl vertreten. Auch hier richten wir uns nach den Schadschwellen. So wenig Insektizide, wie in diesem Jahr, haben wir noch nie gespritzt. Im entscheidenden Moment war in diesem Jahr einfach kein Auftreten von Schädlingen vorhanden. Das kann unter anderem auch an der kühlen Witterung im Frühjahr gelegen haben.“ Der Blattlausdruck sei witterungsbedingt: „Wir haben meist mehr, wenn es feuchter ist.“ Beim Glanzkäfer hänge es mehr an den Temperaturen zum Knospenstadium: „Wenn wir im April hohe Temperaturen haben, dann ist meist auch der Glanzkäferdruck hoch. Aus diesem Grund hatten wir in diesem Jahr wegen des kühlen Frühjahres die Möglichkeit, uns beim Insektizideinsatz zurückzuhalten.“

Die Bonitierung im Bestand macht Bernd Hansen zum Teil selbst, zum Teil geben aber auch die Landwirte Ihre Beobachtungen weiter. „Alle Flächen kann ich nicht selbst kontrollieren, das ist aber auch nicht unbedingt notwendig, da ich zusätzlich auf die Beobachtungen der Landwirte vertrauen kann und man von einem ähnlichen Verlauf auf den verschiedenen Flächen ausgehen kann. Wenn also ein bestimmtes Vorkommen von Schaderregern auf einer Fläche vorhanden ist, muss von einer ähnlichen Entwicklung auf den anderen Schlägen ausgegangen und entsprechend reagiert werden. Wichtig ist es, die Zeitpunkte für die Kontrollen richtig zu treffen. Das ist eine spannende Aufgabe. Im Pflanzenschutz haben wir gut 50 Kunden und spritzen im Jahr etwa 5.000 bis 6.000 ha Fläche. Die Flächen sollten schon alle zwei bis drei Tage angefahren werden.“

Überfahrten reduzieren

Grundsätzlich sei das Pflanzenschutzgeschäft als Dienstleister ein Abwägen von pflanzenbaulichen und monetären Belangen: „Als Lohnunternehmer muss man jeden Einsatz abwägen. Wenn ich ausschließlich nach Schadschwellen arbeiten würde, müsste ich ständig bonitieren, das ist in der Form nicht leistbar. Außerdem bezahlt kein Landwirt die Durchfahrt mit einzelnen Produkten, hier muss man Synergieeffekte verschiedener Maßnahmen nutzen und entsprechend Behandlungen zusammenfassen. Der Mittelweg liegt also meist zwischen angepasstem Pflanzenschutz und der Vermeidung von unnötigen Kosten.“ Ein Beispiel sei die Ährenbehandlung. Dort werde ohnehin mit einem Fungizid gefahren und dann zusätzlich auch mit einem Insektizid gegen Getreidehähnchen und Blattläuse: „Wenn wir das nicht in einer Maßnahme machen würden, müssten wir zwei Wochen nach dem Fungizideinsatz unter Umständen wieder mit dem Insektizid losfahren. Das ist nicht praktikabel und wird nicht bezahlt. Im Normalfall reicht es bei der Bonitierung aus, von einigen Kontrollflächen auszugehen und dann entsprechend in der Fläche zu behandeln, da die einzelnen Schläge sich meist kaum unterscheiden.“

Wir müssen bei den Überfahrten sehr auf das Tempo achten, da bei uns alle Flächen mit kleinen Gräben durchzogen sind.

Die höhere Schlagkraft war ausschlaggebend für die Investition in einen Selbstfahrer, allerdings lassen sich theoretisch mögliche Geschwindigkeiten auf der Marsch nicht immer umsetzten: „Wir müssen bei den Überfahrten sehr auf das Tempo achten, da bei uns alle Flächen mit Gräben, den so genannten Grüppen, durchzogen sind. Wenn wir dann mit 15 km/h fahren würden, wäre das Gestänge schnell zerstört. Wir können daher meist mit Standarddüsen fahren und brauchen keine Hochgeschwindigkeitsdüsen.“ Gefahren werde meist mit 8-10 km/h. „Standardmäßig fahren wir mit 150 bis 250 l Wasser in Abhängigkeit von der Kultur“, beschreibt Bernd Hansen weiter. Die höheren Mengen würden zum Beispiel bei der Sikkation des Rapses eingesetzt, weil die ganze Pflanze das Mittel aufnehmen soll. Beim Maisspritzen werde meist mit 150 l, manchmal auch mit mehr - je nachdem, ob ein bodenwirksames Mittel oder zum Beispiel ein Blattherbizid eingesetzt wird - gefahren. Grundsätzlich werde an warmen Tagen auch die Wassermenge hochgesetzt. Das Thema Dropleg-Düsen sei bisher nicht von Bedeutung. Der richtige Einsatzzeitpunkt ist aus seiner Sicht wichtiger. „Allerdings wird der Bienenschutz immer heiß diskutiert. Die Öffentlichkeitsarbeit ist gerade beim Pflanzenschutz sehr wichtig. Selbst bei uns auf dem Land sind die Leute zum Teil sehr kritisch, wenn sie unseren großen Pflanzenschutz-Selbstfahrer sehen. Unser Fahrer wird regelmäßig auf das Thema angesprochen und die Leute sind in der Richtung sehr sensibel.“

Johannes Rohmann

Der Artikel ist in der Zeitschrift LOHNUNTERNEHMEN Ausgabe Oktober 2015 erschienen.